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Eine barocke Party - Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst: Tigersprung in die Vergangenheit

Sechs künstlerische Positionen, Dinos und Jake Chapman, Wim Delvoye, Urike Grossarth, Yvonne Rainer, Sam Taylor-Wood und Paul Thek, hat man engagiert, um den Umzug der Kunsthalle Wien ins Museumsquartier zu begießen. Und weil es in Fischer von Erlachs weiland Hofstallungen tatsächlich einmal barock zuging, soll das Sextett gleich den Tigersprung in die einschlägige Vergangenheit vorführen: "Eine barocke Party. Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst" wird gegeben. Eine lange Literaturliste im Katalog unterstützt die hochfahrende Veranstaltung, und selbst Hans Sedlmayr, der verachtendste unter allen Verächtern des Modernen, bekommt darin einen gleich vierfachen Auftritt. Die Schau hat eine These. Sie ist grundfalsch und um so aufgeladener mit dem Versuch von Erklärung. Doch Einbildung ist bekanntlich auch eine Bildung, und damit prunkt die Ausstellung entsprechend reichlich. Belassen wir es bei einem einzigen Beispiel. Gleich neben Sam Taylor-Woods "Five revolutionary seconds" wirft sich ein Aushang in die Brust: Die Arbeit, so heißt es, "ergibt eine panoramatische Szenerie, einen sprichwörtlich barocken illusionistischen Raum, der den Betrachtern allerlei allegorische Erzählungen bietet". Zitat Ende. Erstens entstand, mit Robert Barkers Londoner Rotunde, das Panorama im Jahr 1798, und da schwang, wenn man schon Epochenhuberei betreibt, gerade der Klassizismus sein Zepter. Zweitens erklärt sich der "illusionistische" Raum aus der Zentralperspektive, das heißt, er entsteht über einen Fluchtpunkt, und ein solcher Fokus würde das panoramatische All-Over gerade zugrunde richten. Drittens ist dieser Raum schon überhaupt nicht "virtuell", er ist weder visuell noch gar körperlich betretbar; Virtualität ist als Begriff und Phänomen sowieso ein Anachronismus. Viertens haben die "allegorischen Erzählungen" des Barock stets eine literarisch-ikonografische Grundlage, und ein solches Fundament ist, mangels verbindlicher Texte, heutzutage schlicht verschwunden. Fünftens kann man seit den sechziger Jahren nicht mehr so tun, als ließe sich mit den jeweiligen historischen Situationen einfach hin und her rangieren: Der Glaube an ein wohlfeiles Nacheinander von Vergangenheiten und Zukünftigkeiten ist einen Gedankengang zu kurz. Sechstens schließlich sollte man, wenn man der durchaus nicht unplausiblen Vorstellung anhängt, daß die Gegenwartskunst theatralisch ist, bei Michael Fried nachschlagen, bei Douglas Crimp oder bei Benjamin Buchloh, die allesamt nicht in der Bibiographie aufscheinen. Ende der Ausführungen. Nein, eins noch: Kurator kommt von "curare"; das ist zum einen ein Pfeilgift; zum anderen ist es lateinisch und heißt "sorgen".
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Eine barocke Party - Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst
12.06 - 16.09.2001

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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