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ARCO 2021: Hinterzimmergeschäfte

Fast wie immer fühlt sich die Arco in Madrid an. Außer, dass alle Maske tragen, nicht nur auf der Messe. Auch in den Straßen zeigen sich die Spanier displizinierter, als stereotype Vorstellungen und Medienberichte vermuten lassen.

Zuverlässig sind hingegen einige Traditionen, wie etwa die Eröffnung der Arco durch das Königspaar am zweiten VIP-Tag. Dass die Messe trotz Pandemie und einem Ausstellerrückgang um rund ein Drittel so normal wirkt, liegt nicht zuletzt am pfiffigen Hallendesign. In den langen Rechtecken der Standarchitektur verbirgt sich jeweils im Inneren ein weiteres Rechteck, das jeder Koje ein Kabinett zuordnet, in dem die Aussteller weitere Kunstwerke einem ausgewählten Publikum zeigen und in das sie sich für diskrete Gespräche und Geschäftsabschlüsse zurückziehen können.

Ob dafür überhaupt ein gesteigerter Bedarf besteht, wird sich bis zum Wochenende erweisen müssen. Klar ist hingegen jetzt schon, dass die in normalen Jahren zahlreich anreisenden lateinamerikanischen Sammler wie erwartet weitgehend daheim geblieben sind. Auch US-Amerikaner haben nur vereinzelt den Weg nach Spanien gefunden.

Inés Lombardi von der Wiener Galerie Georg Kargl Fine Arts nimmt es sportlich: "Das ist die Gelegenheit für uns, neue Leute kennenzulernen." Wie viele Kollegen habe sie ihre Entscheidung über eine Teilnahme länger abgewogen. Ihre Sorge habe jedoch weniger der Corona-Situation gegolten als vielmehr dem Sommer-Termin. Denn in einigen Ländern haben die Ferien bereits begonnen. Das mag ein Nachteil für die Händler sein, für die Messegesellschaft entfällt dadurch weitgehend das Problem der Publikumslenkung am Wochenende.

Es bleibt also mehr Zeit als sonst für Gespräche über die gezeigte Kunst. Abgesehen von den üblichen marktgänigen internationalen Namen, ist dieses Mal eher noch mehr Spanisches zu sehen als sonst. Nicht nur, weil die ausländische Beteiligung gering ist - aus Deutschland sind acht Galerien angereist, aus Österreich sechs, aus Italien gar nur eine. Anita Beckers hat mit Daniel Canogar auch einen spanischen Künstler mitgebracht, dessen komplexe Videoinstallationen aus der Serie "Ripple" (Aufl. 3, 37.100 Euro) zunächst wie hübsch anzusehende abstrakte Animationen aussehen, tatsächlich aber die Texte der Magna Carta, der Erklärung der Menschenrechte und der US-Verfassung nach den in Echtzeit übertragenen Windverhältnissen an den jeweiligen Orten der Deklarationen in Bewegung versetzen.

Vom selben Künstler und zu einem ähnlichen Preis gibt es bei der Madrider Galerie Max Estrella mit "Shred" eine Arbeit, die NFTs zu Pixelsalat verhackstückt. "Richtige" NFTs sind übrigens auf der Messe praktisch nicht zu finden. Dem künstlerischen Ko-Dirktor der Galerie Gregorio Cámara ist die Erleichterung anzumerken, dass der Betrieb endlich wieder in etwas normaleren Bahnen verläuft. Die Verkäufe seien "nicht schlecht", erklärt er - "nicht sehr gut, aber auch nicht katastrophal". Und nach der Durststrecke des vergangenen Jahres wirklich ermutigend. Der spanische Markt sei exportorientiert, und das Geschäft mit Lateinamerika, aber auch den USA und Asien habe unter der Pandemie sehr gelitten.

Peter Kilchmann aus Zürich setzt entsprechend aufs heimische Publikum und eine Mischung aus prominenten Namen wie Leiko Ikemura oder Monica Bonvicini und mit Teresa Margolles
und Dagoberto Rodriguez erfolgreich auf Lokalmatador:innen. Letzterer war ehemals Teil von Los Carpinteros, ein großformatiges Aquarell als Diptychon (asking price 34.000 Euro) ging an einen neuen peruanischen Sammler, den die Galerie bis dahin noch nicht kannte.

Zum ersten Mal überhaupt ist Van Horn aus Düsseldorf dabei. Sie habe lange gezögert, ob und in welchem Rahmen sie sie sich auf der Arco engagieren solle, erzählt Galeristin Daniela Steinfeld. Dann habe sie sich gedacht: "Was soll's - wenn schon, dann richtig! Ihr fulminanter Auftritt mit Arbeiten von Jan Albers (7.200 bis 43.000 Euro) hat sich prompt ausgezahlt, in Form von zwei Neukunden am ersten Tag.

Zwischen erwartbar bescheiden und eingedenk der Umstände überraschend gut lässt sich die Arco an. Wie wichtig ihre Rolle als Brückenkopf nach Lateinamerika ist, zeigt sich jedoch in dieser Ausgabe, da genau das kaum einzulösen ist.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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ARCO 2021
08 - 11.07.2021

ARCO
28042 Madrid, Parque de Juan Carlos 1
http://www.arco.ifema.es


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