Rainer Metzger,
Die Moral des `Und`
"Das
Undist die Moral der Journalisten": So steht es in Peter Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft" geschrieben, mit der er sich vor zwanzig Jahren mitten hinein in den Journalismus katapultierte. Der eingangs ziterte Satz passt durchaus auch zum Titel dieses Buches, denn, so Sloterdijk, "das Und bleibt kein reines Und, sondern entwickelt die Tendenz, in ein Ist-Gleich überzugehen. Von diesem Moment an kann sich eine zynische Tendenz breitmachen". Als vor einiger Zeit jene beiden österreichischen Tageszeitungen, die sich als für die Qualität zuständig erachten, in ihren beiden Wochenendbeilagen ihre beiden Aufmacher an ein demselben Tag von ein und demselben Textlieferanten besorgen ließen, konnte einem Sloterdijks schlichte Wahrheit wieder in den Sinn kommen. Das Album des Standard und das Spectrum der Presse ließen sich von Konrad Paul Liessmann beglücken. Das Und, mit dem der als Philosoph bestallte Liessmann so souverän hantierte, war in der Tat die Moral eines Schreibers, der sein Journalistentum vielfältig an den Tag legt. Zynismus inklusive: Was muss das für eine Presselandschaft sein, in der derlei offenbar selbstverständlich ist? Nun hat sich diese Presselandschaft gründlich revanchiert. In ihrem Feuilleton vom vorletzten Samstag übt sich eben die Presse in der A-Moral des Und. So liest es sich schon zum Einstieg in der Dachzeile, die die Veranstaltung auf den Begriff bringt, folgendermaßen: "Geheime Regierungsräte und unheimliche Übertreibungskünstler: Robert Menasse und Alfred Pfabigan bleiben einander wenig schuldig". Dann dürfen die beiden jeweils ganzseitig aufeinander einhacken wie die Zwerggockel. Ergebnis ihrer Beschimpfung vor Publikum ist dann mehr als eine Tendenz zum Ist-Gleich. Sie ist die vollzogene Identität. Das Erschreckende daran ist, dass die beiden Essayisten von vornherein wussten, wie sie auf die Blutwiese geschickt werden. Als sei es unvermeidlich mitzumachen, begeben sie sich sehenden Auges in den Schiffbruch vor Zuschauer. Dass die Zeitung gern Platz zur Verfügung stellt, kann man sich denken, und sie muss nicht das Zentralorgan des landesüblichen Konservativismus sein, um in dem selbstbezüglichen Aufeinandereinschreiben der beiden Kombattanten die perfekte Inszenierung des Prinzips Unabänderlichkeit zu liefern. Der Zirkelschluss von Menasse links und Pfabigan rechts steckt das Terrain ab, auf dem es so bleiben wird mit dem Status Quo. Was muss das für eine Presselandschaft sein, in der derlei offenbar selbstverständlich ist? Vor allem aber: Was muss das für eine intellektuelle Landschaft sein?
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