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Interview mit Robert Ketterer

Der #Kunstmarktnachcorona. Welche Auswirkungen wird die Corona-Krise auf Galerien, Auktionshäuser und die weiteren Marktteilnehmer wie Kunstversicherer und -transporeure haben? Das artmagazine bringt in einer Serie von Interviews die Einschätzungen internationaler Akteure im Kunstbetrieb.

Robert Ketterer leitet seit Mitte der 1990er Jahre Deutschlands umsatzstärkstes Auktionshaus Kettererkunst in München. Gegründet wurde das Unternehmen 1954 von seinem Vater Wolfgang in Stuttgart. Die Online-Only-Auktionen, die seit 2007 angeboten werden, verzeichnen zuletzt stark steigende Umsätze.

 

artmagazine: Welche Konsequenzen wird die Corona-Krise für den Kunstmarkt haben, abgesehen von den aktuellen Ausfällen und Verschiebungen?

Robert Ketterer: Corona ist ein Fluch. Die Krise ist aber auch eine Aufforderung, über unser Leben und Arbeiten nachzudenken. Was ist neu entstanden? Was bleibt? Was können wir jetzt besser machen? Klar ist für mich, dass Corona ein Katalysator für alles ist, was in den nächsten Jahren ohnehin passiert wäre. Für unsere Branche heißt das wichtigste Stichwort Digitalisierung. Hier entscheidet sich die Zukunft. Galerien und Kunsthandel können nicht mehr einseitig nur auf den persönlichen Kontakt bei Messen und Ausstellungen setzen. Und wir Auktionshäuser wissen: beim Ausgang einer Krise laufen Auktionen prächtig, aber die Ware fehlt. Wie bekommen wir Einlieferer dazu, vielleicht etwas antizyklischer zu denken?

Wird eine Marktbereinigung stattfinden? In welchen Bereichen?

Die wird es bestimmt geben. Denn auch der Kunstmarkt ist kostengetrieben – und die Kosten sind generell in allen Unternehmen sehr hoch. Wer in der Vergangenheit keine guten Geschäfte gemacht hat, für den kann es jetzt schnell ernst werden. Besonders hart sind die Galerien betroffen von den langen Geschäftsschließungen, dem kompletten Ausfall von Messen und Ausstellungen, dem Stopp des Tourismus. Mir macht das viele Sorgen, weil Galerien für die Entwicklung von Künstlern und des Kunstmarktes von zentraler Bedeutung sind. Und Künstler sind natürlich ebenfalls vom Stillstand, vom Ausfall von Veranstaltungen existenziell betroffen. Hier den Schaden zu begrenzen, ist jetzt eine wichtige Aufgabe.

Die Krise betrifft im übrigen nicht nur die Kleinen. Auch die ganz Großen der Branche sind besonders betroffen. Sie machen ihren Gewinn mit wenigen Riesendeals und Zuschlägen, und wenn da jetzt ein oder zwei Kunden wegfallen, wird die Luft dünn. Wenn uns Mittelständlern die teuersten Objekte fehlen, schmerzt das auch. Aber wir können damit leben, weil wir eine auskömmliche Marge auch im Mittelfeld haben.

In den vergangenen zwei Monaten haben fast alle Marktteilnehmer inklusive der Künstler digitale Formate genutzt oder entwickelt. Was davon wird bleiben?

Ja, Corona hat jedem einzelnen von uns in den letzten Wochen seinen persönlichen Digitalisierungsschub verschafft. Und zahlreiche Menschen und Institutionen, die vorher noch nie etwas mit dem Internet zu tun hatten, machen sich jetzt erstmals ernsthaft Gedanken darüber. Das ist gut. Aber wer online Geschäft machen will, der muss zunächst einmal viel lernen, und das braucht seine Zeit. Ketterer Kunst macht seit 2007 Online Only-Auktionen und wir lernen immer noch mit jeder Auktion dazu.

Was haben Sie gelernt seit Sie online auch als Auktionshaus unterwegs sind?

Lektion eins: Online ist kein Selbstläufer, sondern so anspruchsvoll wie die Saalauktion. Wer denkt, man könne hier einfach ein paar Sachen einstellen und am Ende die Champagnerkorken knallen lassen, wird bitter enttäuscht werden. Lektion zwei: Man kann erfolgreich nur die Objekte online in Auktionen stellen, die auch im Saal (live) funktionieren würden. Lektion drei: Internet funktioniert nur, wenn es für den Käufer schnell, einfach und ohne Probleme läuft, das gilt auch für die Rückgabe. Lektion vier: Ebay funktioniert, weil alles bei einem Euro anfängt. Die Hemmschwelle muss also niedrig sein, damit viele mitmachen. Und wer einmal bietet, der ist dabei und bleibt oft auch dran. Wir bei Ketterer Kunst starten nicht mit 1 Euro, sondern mit 100 Euro. In unserer letzten Auktion hatten wir 75 Objekte und fast 2.000 Gebote. Da gibt es dann spannende und ertragreiche Bietergefechte.

Ob und inwieweit wird sich der Markt ins Digitale verschieben?

Ich wage folgende Prognose: Die meisten Verkäufe werden in Zukunft online stattfinden. Das kommt jetzt schneller als gedacht. Und in zehn oder 15 Jahren werden das wohl 90 Prozent sein. Das verändert die Marktdynamik allein schon durch die große Transparenz. Und große Saalauktionen werden insgesamt seltener und noch mehr als bisher zum Event, der vor allem Online- und Telefonbietern den Rahmen für spannende Bietergefechte gibt.

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Abbildung: Robert Ketterer, Foto © Kettererkunst

Mehr Texte von Stefan Kobel

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