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Markus Schinwald: Modernismus-Interpretationen mit Cowboyhut

"Monika" blickt aus einem mit Stores verhängten Fenster, "Vicky" liegt lesend auf einem grünen Samtbett vor einer Glitzertapete. Doch die vorgeblichen Alltagssituationen in Markus Schinwalds Fotoserie, unter Mitwirkung von Akrobatinnen entstanden und in seiner ersten Einzelausstellung bei Georg Kargl zu sehen, erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als ambivalent. Nicht nur präsentiert sich die Inszenierung aus Hotelzimmeratmosphäre und modernistischem Retro-Schick als subtiles Vexierspiel von Intimität und Anonymität. Die Körper der im allgemeinen vor Publikum agierenden Protagonistinnen, hier als selbstverlorene Single-Tableaux vivants in extremen Posen festgefroren, verweisen auch auf den Übergang von Vorstellungen des "Normalen" zum Bizarren und auf die Dialektik von öffentlichem und privatem Umgang mit der eigenen Körperlichkeit.

Wie der eigene Körper die Wahrnehmung der Welt beeinflusst, ist auch das Thema der in Rosenholzregalen präsentierten Prothesen-Objekte mit Fetisch-Touch: Schinwalds Eigenkreationen - etwa ein Mittelding aus Hals-Stützvorrichtung und Designerschmuck - werfen Fragen nach den zunehmend verschwimmenden Grenzen des menschlichen Körpers angesichts kultureller Entwicklungen auf. Auch anhand einer Porträtserie auf der Basis historischer Stiche setzt Schinwald sein Spiel mit orthopädischen Notwendigkeiten und dem Begehren fort - und verpasst den ehrwürdigen Familienvätern Nasenschienen mit Accessoirecharakter, die diese als Weiterführung des Vatermörderkragens mit selbstbewusster Gelassenheit zu tragen wissen.

In dem aus 160 Einzelbildern bestehenden Film und den Fotografien der Serie "Diarios (to you)" transferiert Schinwald Natur- und Cowboyszenen mit den Mitteln der Überblendung aus ihrem stereotypen Kontext vor die Wiener Wotruba-Kirche. Deren modernistische Fassade verwandelt sich im harten Gegenlicht in einen fremdartigen Mayatempel, bevölkert von einsamen Betrachtern. Damit spielt der 30jährige Künstler einmal mehr seine herausragende Stärke aus: die Erzeugung einer hybriden, außergewöhnlich verdichteten Atmosphäre in traumwandlerisch-selbstvergessenen Plots.

Mehr Texte von Susanne Jäger

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Markus Schinwald
07.11.2003 - 03.01.2004

Galerie Georg Kargl
1040 Wien, Schleifmühlgasse 5
Tel: +43 1 585 41 99, Fax: +43 1 /585 41 99-9
Email: office@georgkargl.com
http://www.georgkargl.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-19
Sa 11-16h sowie nach Vereinbarung


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