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Amoako Boafo - The Gaze, an Exchange: Celebrating Blackness

Timo Miettinen, der finnische Sammler, der in seiner Wahlheimat Berlin vor zehn Jahren den Salon Dahlmann gegründet hat, beweist sein gutes Gespür für zeitgenössische Kunst. In seiner Galerie im Erdgeschoss zeigt er Amoako Boafos erste Einzelausstellung in Deutschland. Schon vor vier Jahren begann Miettinen, Boafos Frühwerke zu sammeln. Damals kosteten die Arbeiten des Ghanaers, der in Wien lebt und an der Akademie der Bildenden Künste bei Prof. Kirsi Mikkola und Prof. Ashley Hans Scheirl studiert hat, einen Bruchteil des gegenwärtigen Preises. Heute bekommt Miettinen regelmäßig Anfragen von anderen Sammlern, die bereit wären, ihm eine große Summe für eins von Boafos Bildern zu zahlen, doch der Finne will nicht verkaufen: „Ich kaufe keine Kunst, um sie gewinnbringend zu veräußern. Ich kaufe Kunst, weil ich mit ihr leben will“, sagt er. Und das glaubt man ihm sofort, wenn man ihm inmitten seiner Sammlung begegnet. Miettinen sammelt aus Leidenschaft, er sammelt, was ihn berührt und es ist egal, ob ein Künstler bereits bekannt ist, oder nicht, was zählt, ist die Arbeit. So war es auch mit Secundino Hernández, den Miettinen früh gefördert hat, und so ist es eben auch mit Boafo.

Amoako Boafo ist der Rising Star am internationalen Kunststernenhimmel. An der Art Basel Miami Beach wurde er als Neuentdeckung gefeiert, er ist der erste Artist-in-Residence des neuen Rubell Museums (eine der größten Privatsammlungen der USA) und er hat den STRABAG Artaward International 2019 gewonnen, um nur einige seiner Stationen des letzten Jahres zu nennen. In der kleinen, aber feinen Ausstellung in Berlin bekommt man eine Ahnung davon, warum das so ist.

Bei den meisten der 12 figürlichen Porträts handelt es sich um 2019 entstandene Arbeiten in Öl, mit der sich der Künstler auf seine 2018 begonnene Serie „Black Diaspora“ bezieht. Darin beschäftigt sich Boafo mit afrikanischen Gemeinschaften in der Fremde, mit Fragen zur Herkunft und Identitätsfindung eines Menschen. Zu sehen sind Freunde, Künstlerkollegen und Designer wie Lehna Huie, Steve Mekoudja oder Kenneth Ize. Sie alle sind schwarze Menschen aus seiner Generation, die Boafo wertschätzt und denen er einen Platz in der Kunstgeschichte einräumen will. Ein beeindruckendes Selbstporträt zeigt den Künstler lesend und nackt auf einem Bett liegend. Es wirkt unfertig, wesentliche Teile des rechtsseitigen Malgrundes wurden freigelassen. Es bleibt noch Raum, den es in späteren Jahren zu füllen gilt. Boafo stellt sich in die Tradition des intellektuellen Künstlers, und inszeniert sich zugleich als Objekt der Begierde, der Bezug zu Eduard Manets Olympia ist evident. Er selbst sagt über seine Kunst: „The primary idea of my practice is representation, documenting, celebrating and showing new ways to approach blackness.“

Im Vergleich zu den älteren Werken der Ausstellung fällt auf, wie stark sich Boafo in den letzten Jahren künstlerisch verändert hat. Während die früheren Arbeiten eine eher unruhige Formensprache und Hintergründe vorherrschen, die an Jean-Michel Basquiat erinnern, positioniert der Künstler die Porträtierten in seinen neuen Arbeiten vor einfarbigen Hintergründen. Dabei malt Boafo die Gesichter und Hände mit seinen Fingern, die Körper und Hintergründe hingegen mit breiten Pinselstrichen. Diese Technik ist zu seinem Markenzeichen geworden, und doch steht Boafo damit in einer künstlerischen Tradition, die viele Betrachter und selbst Sammler nicht zu kennen scheinen, wenn sie den Künstler auf seine Hautfarbe und die Darstellung schwarzer Menschen reduzieren. Das ist nichts anderes als Alltagsrassismus.

Boafo ist kein „Quoten-Schwarzer“ für den Kunstmarkt, wie manche bösen Zungen hinter vorgehaltener Hand tuscheln, sondern reflektiert in seinem künstlerischen Schaffen etablierte wie zeitgenössische kunsthistorische Positionen auf höchstem malerischem Niveau. Ein Blick auf etwa die Niederländische Porträtmalerei oder den französischen Impressionismus eines Edouard Manet, konkret: dessen Porträts der 1870er und 80er Jahre, genügt, um zu verstehen, um welche künstlerischen Fragestellungen es hier geht – nur dass Boafo die monochrome Hintergrundfarbe zugunsten der Porträtierten eben genau andersherum vertauscht. Er überführt sie in eine schwarze Lesart, benutzt fleischfarbene, pinke und weiße Farbe nun für die Kleidung und den Hintergrund, statt für die Darstellung von Haut.

Damit steht Boafo zugleich in der Tradition von schwarzen Malern, wie dem Amerikaner Barkley L. Hendricks. Wie Boafo stellte Hendricks Körper häufig flächig und vor monochromen hellen Hintergründen dar. Beide Künstler lösen den schwarzen Körper damit von einem weiß-zentrierten Blick und zeigen ihn mit Autonomie, Selbstbehauptung und Würde. Boafos Ausarbeitung der Gesichter und Hände lässt an Toyin Ojih Odutola denken. Mit den Mitteln der Kunst untersucht die amerikanische Künstlerin mit nigerianischen Wurzeln ebenfalls das gesellschaftspolitische Konstrukt von Hautfarbe und des Inkarnats in der Kunstgeschichte.

Diese große kunsthistorische Bedeutung des Ausnahmekünstlers Amoafo Boafo hat Timo Miettinen erkannt und konnte noch drei weitere Werke für die Sammlung Miettinen erwerben. Alle anderen Werke wurden bereits über internationale Institutionen oder Großsammlungen anderweitig reserviert. Dort werden sie sich behaupten können.

Mehr Texte von Sylvia Metz

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Amoako Boafo - The Gaze, an Exchange
13.09.2019 - 29.02.2020

Salon Dahlmann
10789 Berlin, Marburger Straße 3
Tel: +49 30 88 72 56 83
Email: info@salon-dahlmann.de
https://www.salon-dahlmann.de
Öffnungszeiten: Sa 12-18 h nur nach Vereinbarung


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