Ursula Maria Probst,
Prinzip Zufall
2002 kuratierte die Kulturwissenschaftlerin Angelika Fitz in der Wiener Secession die Architekturausstellung "Trespassing - Konturen räumlichen Handelns". Anlässlich der diesjährigen 5. Architekturbiennale in Sao Paulo stellt sie in ihrer Publikation "Performative Materialism" erneut eine Position zur Diskussion, die eine Repolitisierung der Architektur fordert. Entschieden wendet sie sich gegen die zunehmende Beschneidung von Handlungsspielräumen in der Stadtplanung.
In den Projekten der beteiligten ArchitektInnen Wolfgang Tschapeller, Klaus Stattmann und the next ENTERprise verlagert sich der Urbanitätsdiskurs von einer Funktionalisierung der Architektur, die sich auf eine Kommerzialisierung von Raum oder affirmative Repräsentationsstrategien reduziert, auf Handlungszusammenhänge. Der Architekt Klaus Stattmann erweitert die räumlichen und zeitlichen Strukturen der Stadt durch Einschnitte und schafft so in Gestalt von "Riffen" performative Zonen als Widerstand gegen Verwaltungs- und Kontrollkonzepte. Modelle für den Accidental Tower in Dublin oder den Musik- und Kunstclub Fluc II am Wiener Praterstern wurden speziell in diesem Kontext entworfen.
Wie sich an den Textbeiträgen von Angelika Fitz und dem Bildmaterial der Architektenteams nachvollziehen lässt, tritt hier ein Transfer von symbolischen, imagedominierten und diagrammatisch aufgebauten Prozessen hin zu einem spontanen Reagieren auf Wirkungszusammenhänge ein. Die Betonung liegt dabei auf einer Konzentration des Akzidentiellen.
Weiters tritt Angelika Fitz dafür ein, dass Konflikte nicht ausgeschalten, sondern ausgetragen werden. Zur Formulierung ihrer Thesen zieht sie den Politikwissenschaftler Jacques Rancière heran und gelangt zum Resultat, dass der "Öffentlichkeit" kein Raum, sondern ein performatives Prinzip zugrunde liegt. Wie Fitz hervorstreicht, geht es hier um Aktivitäten der Sichtbarmachung.
Dabei wird im Gegensatz zu Michel Foucault eine wesentliche Unterscheidung zwischen dem Politischen und dem Sozialen getroffen. Weiters orientiert sich Fitz an den Theorien von Chantal Mouffe, deren gemeinsam mit Ernesto Laclau verfasstes Buch "Hegemony und Socialist Strategy" mittlerweile Kultstatus genießt. Dem historischen Materialismus der Linken setzt Angelika Fitz einen performativen Materialismus entgegen.
Angelika Fitz, Performative Materialism, Österreichischer Beitrag zur V. Architekturbiennale in Sao Paulo, AutorInnen: Walter M. Chramosta, Angelika Fitz, Ernst J. Fuchs, Marie-Therese Harnoncourt, Oliver Schürer, Klaus Stattmann, Wolfgang Tschapeller
englisch/deutsch
Triton. Wien, 2003
128 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen
26,5 x 20,5 cm, Broschur
Englisch/Deutsch
? 27,00/sfr 40,50
ISBN 3-85486-181-8
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