
Jun Yang - Der Künstler, das Werk und die Ausstellung: Existenz ist eine Variable
Irritation steht am Beginn, wenn Jun Yang, June Young, Yang Jun, Tun Yang, Yi Chuan oder Jan Jung in „The Monograph Project“ (Bd. 1-3, 2015, und Bd. 4-6, 2018) seine Identität(en) hinterfragt, Nationalität(en) und Staatsbürgerschaft(en) thematisiert und auf die Malignität von Zuschreibungen verweist. Es geht um die Illustration von Wertvorstellungen infolge eines Konformismus, der en suite gesellschaftliche Hierarchien festigt. Gelegentlich unterliegt dieser Automatismus diversen Verschiebungen und verändert sich je nach Perspektive.
„杨俊 (Jun Yang)“ thront in Form roter chinesischer Schriftzeichen am Dach des Kunsthaus Graz und provoziert den Vorwurf unerlaubter Werbung oder Propaganda. Jun Yang ist Österreicher mit chinesischen Wurzeln. Der Umstand „Wiener“, „Österreicher“, „Chinese“, „Asiat“ oder/und „Europäer“ zu sein, durchzieht sein gesamtes Werk, das höchst biografisch ist und in dem er selbst immer wieder zum Gegenstand wird. Bereits 1999 war Jun Yang Teil der von Werner Fenz und Ruth Maurer kuratierten dritten österreichischen Triennale zur Fotografie. Seine Arbeiten wurden in der Folge auch im Grazer Kunstverein präsentiert. Die aktuelle „Einzelausstellung“ knüpft unter anderem an seine 2003 auf Einladung Anton Lederers und Margarethe Makovecs vom < rotor > realisierten Installation „Chinatown Graz“ an, in der sich Graz nicht nur als würdige Kulturhauptstadt Europas, sondern auch als „Weltstadt“ zu positionieren suchte. Eine solche brauche eben auch ein „Chinatown“, so der Künstler. Doch neben dem dekorativen und mitunter plakativen Charakter derlei formelhafter Bilder steckt ein sozialpolitisches Engagement und der Versuch, Wahrnehmung zu sensibilisieren und zu schulen. Motive wie rote Laternen und goldene Drachen sind Klischees, Konstruktionen von Realität(en), Festschreibungen, die Konventionen markieren.
Der Titel der Ausstellung „Jun Yang. Der Künstler, das Werk und die Ausstellung“ möchte Überaffirmation sein, zum einen kulturelle Identitäten und zum anderen Vorstellungen befragen, wie zum Beispiel jene, die mit einer deklarierten Einzelausstellung einhergeht. Assoziiert wird ein starkes Künstlersubjekt mit Wiedererkennungswert. Das Projekt erforscht, inwiefern Fantasie und Fiktion konstituierende Momente darstellen und zeigt auf, wie jegliche Behauptung und Überhöhung sich nach und nach (in der Ausstellung) zerlegen.
Absolut verdichtet präsentieren die Kuratoren Barbara Steiner und Jun Yang, der vielfache Rollen einnimmt, ihren Befund. Die Schau bzw. das Projekt ist von Kooperationen geprägt, von einem Dialog, nicht nur aller Beteiligten, sondern auch der Beiträge. Subtil und mit Nachdruck wird die Einzelausstellung als Medium verhandelt, Innen- und Außenräume verbunden und damit Hierarchien von (Ausstellungs-)Räumlichkeiten untersucht.
Trotz der Fülle aufgeworfener Fragen scheint nichts dem Zufall überlassen, nichts willkürlich, jede Position, jede Aussage seine Berechtigung und seinen festen Platz im Gesamtarrangement zu haben. Namen und Gegenstände sind nicht bloß austauschbar, sie sind auch vieldeutig und je nach Kontext mit anderen Inhalten aufgeladen. Traditionen und deren Symbolik werden zur Reklame, werden auf ihre Oberflächen und auf ihren Wert reduziert. Es wird deutlich, dass Kommunikation resp. Wissensvermittlung ein unverzichtbares Moment darstellt. Angesichts dieser Dichte wird das Publikum willfährig. Schrift, Umschrift, Buchstaben, Sprache, Aussprache, Betonung, Bedeutung, Sprachspiel und du trägst meinen Namen. Wenn Jun Yang 2015 Jun Yang in Guangzhou trifft und als Fotodokument dieses Ereignisses eine Gruppe von Personen zeigt, wird die Idee von Zuschreibung ad absurdum geführt. Wer ist der Künstler? Wer sind die Anderen? Die Einzigartigkeit als solche möchte in Frage gestellt werden, während sich jeder einzelne Ausstellungsbeitrag in Beziehung zum Künstler setzt. Die Reihe eingeladener Autor*innen zeugt von der Interdisziplinarität, die für Jun Yangs Arbeiten wesentlich ist. Das Prinzip lautet Multiplikation. „Die Idee eines Künstlerego wird regelrecht zelebriert. Momente der Verwirrung sind absichtsvoll gesetzt.“, so Steiner. Diese Methode erinnert mitunter an die Ära Warhol und dessen Grundkollektivismus im Spannungsverhältnis zu seinem Individualismus. Hier besteht die Gefahr der Selbstreferenzialität und einer Enttäuschung ähnlich dem „Paris Syndrome“ (2007-).
Entlang eines diffizilen kuratorischen Rasters, der eine fast melancholische surreale Stimmung erzeugt, wird auf abstrakt realistische Weise der konzeptuelle Ansatz in Form einer Geschichtskonstruktion hochstilisiert. Sich in die Geschichte – also, Jun Yang in die (Kunst-)Geschichte einschreiben.
Entlang des Parcours verschieben sich Inhalte. Übersetzungen und Interpretationen erzeugen unwillkürlich Missverständnisse, doch lässt sich dieser Moment, in dem etwas Neues entsteht, positiv und spannend bewerten. Auch hier ist es eine Frage der Perspektive. Qualitäten werden durch die Erkennbarkeit einer Differenz erst deutlich. Gegensätze und Diversifikation bergen Möglichkeiten eines Erkenntnisgewinns.
Die Ausstellung bewegt sich vom Künstler weg, hin zu gesellschaftlichen Fragen. Angelangt bei „The Overview Perspective“ (2018) ist die Person Ju Yang und dessen Stimme offenbar nicht mehr sicht- und hörbar. Die Arbeit erinnert an den „Übersichtseffekt“, der eine Bewusstseinsänderung von Astronauten auf ihren Weltraumflügen in jenem Augenblick beschreibt, in dem sie die Erde vom Orbit aus betrachten. Diese Qualität ist es, die Jun Yang interessiert, wenn er mit Raumbrechungen, Spiegelungen und Unendlichkeitsvisionen arbeitet. In dieser artifiziellen Struktur stellt sich die Frage, was diese Oberflächen sein möchten: Traumszenarien einer möglichen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft? Wollen Verflechtungen zutage befördert werden? In einem Labyrinth, in dem sich alles aufzulösen scheint, Kategorien ihre Gültigkeit verlieren wollen und Geschichte(n) (um-)geschrieben werden, beginnen Schatten zu reflektieren. Jun Yang produziert Quantenrealitäten, während ein spiegelverglaster Monolith als Zitat aus „A Space Odyssey“ (1968) von Stanley Kubrick diesem Prozess Pate steht.
15.02 - 19.05.2019
Kunsthaus Graz
8020 Graz, Lendkai 1
Tel: +43/316/8017-9200, Fax: +43/316/8017-9800
Email: info@kunsthausgraz.at
http://www.kunsthausgraz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr