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Birgit Jürgenssen: Unprätention des Nichtwissens

Über die gesamte Breite des Schaufensters von Hubert Winters ladenartig angelegter Galerie ist ein dünnmaschiges Leinennetz gespannt. Auf seiner Vorderseite, zur Straße hin zeigt der Stoff das Foto eines dick von Schnee überkrusteten PKWs, und weil der gelbe R 4 eher zu den Kleinwagen zählt und das Lichtbild, das Birgit Jürgenssen aufgespannt hat, sehr großformatig daherkommt, nähert sich das Konterfei des Kultwagens stark der Lebensgröße. Ein Appell an die Passanten ist die zwischen Plakatwerbung für die Wiener Linien und Christo-Persiflage changierende Foto-Installation allemal. Und sie ist Bestandteil einer Schau, die auf den sokratischen Titel \"Ich weiß nicht\" hört. Im Inneren der Galerie setzt sich das Prinzip fotografischer Blow Ups fort, verkörpert zum Beispiel von einem Blick in einen Trödelladen an der Madison Avenue oder von einem wunderbaren Spiegelspiel zwischen Gebäudeansicht und Wellengekräusel, die an der dafür einschlägigsten Stelle, nämlich in Venedig, entstand. Zusätzlich laufen zwei Videos, auch sie wie unabsichtlich entstanden, ohne großen Aufwand, lapidar. \"Je ne sais quoi\" war im 18. Jahrhundert, zu der Zeit als mit der Ästhetik und der Kritik auch die Kunst, wie wir sie heute verstehen, auf den Weg gebracht wurde, die wichtigste Formel für Qualität. Dieses \"Ich weiß nicht, wie\" stand für die Anteile an Ungeformtheit, Interesselosigkeit und Widerständigkeit, die nur über die Betrachterleistung mit Substanz gefüllt werden können. Die Sinnfrage ist 250 Jahre später noch weitaus prekärer, und auch Birgit Jürgenssen scheint auf eine Unprätention des Nichtwissens zu setzen. Kunst zu machen hat normalerweise den Anspruch, den unendlichen Rekurs an Möglichkeiten aufzuhalten und die eigene Lösung als die definitive auszugeben. \"Ich weiß nicht\" artikuliert demgegenüber einen heftigen, einen fundamentalen Zweifel. Und es beharrt dennoch auf dem Dennoch. Daß etwas entsteht und nicht vielmehr nichts ist seine Devise.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Birgit Jürgenssen
16.10 - 23.11.2001

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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