Werbung
,

Friedrich Gauermann: Die Retrospektive: Kunstlehrstunde

Wenn Sie in Ihrer Familie, Ihrem Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft irgendwelche Kinder im Alter von etwa vier Jahren zur Verfügung haben, nehmen Sie sie, schleppen sie nach Krems, setzen sich die Knirpse in der dortigen Kunsthalle auf die Schulter und schauen Sie sich gemeinsam mit der Jugend die dort ausgestellten, zum Großteil aus dem Besitz des Niederösterreichischen Landesmuseums kommenden Bilder Friedrich Gauermanns an. Wenn Sie dann den Kleinen erklären, was zu sehen ist, sind Sie auf die methodisch stringenteste Weise der ideale Interpret dieser Kunst. Nehmen Sie die Tiere ins Visier und erzählen von der Eintracht, in der sich die Kuh neben das Schaf bettet; zeigen Sie auf die Ente, die zwar tot ist aber nun einer Fuchsfamilie mit Papa, Mama und zwei Kindern als Nahrung dient; erwähnen Sie den Dorfbrunnen, deuten Sie auf dessen steinerne Brüstung, über die sich Menschen beugen, um zu trinken, weisen Sie weiters auf die Holzwanne hin, die das überfließende Wasser aufnimmt und so das Pferd labt, sowie auf die Pfütze darunter, von der der Hund schleckt; lassen Sie auch das Gewitter nicht unerwähnt, das dräuend hinterm Berg hervorkommt, jedoch dem Boot nichts mehr antun kann, denn gerade ist das rettende Ufer erreicht. Fügen Sie noch weitere Beobachtungen hinzu, die allesamt eine Welt auftun, die vom Glück des Gleichgewichts und der Geordnetheit besonnt ist, eine Welt, die das Böse kennt, aber das Gute liebt wie ein Walt-Disney-Film. Um Gauermanns spezielles Biedermeier nachzuvollziehen, üben Sie sich am besten im Idyllisieren und Infantilisieren, in der Verniedlichung und in der Heimholung. Sie tun es der Kinder wegen und trauen Ihrer Darstellung nicht so ganz. Sie machen auf naiv und wissen um die Forciertheit hinter dem Einfachen. Sie sind, mit einem Begriff Schillers, sentimentalisch. Nun gerieren Sie sich exakt, wie Gauermann es seinerzeit vollführte und die Könige damit zu Kunden machte. Und wie seinerzeit der Erzherzog Johann oder der Baron Rothschild dem Maler werden es Ihnen nun die Kinder danken.
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Friedrich Gauermann: Die Retrospektive
14.10.2001 - 17.02.2002

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: