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Matisse – Bonnard

Kunst kommt von Kulinarik. Zwei Maler, wie es klassisch moderner nicht geht, geben sich ein rundum harmonisches Stelldichein. Befreundet waren sie, haben vom anderen auch jeweils ein Bild erworben, nicht getauscht, sondern seriös gekauft in der Galerie Bernheim-Jeune, und auch Belege ihres Tete-à-Tete hinterlassen. Das Frankfurter Städel gibt Henri Matisse und Pierre Bonnard – und zwar in dieser wider das Alphabet und wider die Chronologie handelnden Abfolge. Matisse, geboren 1869, ist eben doch prominenter als sein zwei Jahre älterer Kombattant. Er ist auch eingängiger.

Im Sinn der Zweisamkeit ist das wichtigste Exponat der Schau eine Postkarte. Matisse, dem die Kunstgeschichte den Ruf verpasst hat, ein „Wilder“, ein „Fauve“, zu sein, hat sie am 13. August 1925 an Bonnard gesandt, der wiederum als „Prophet“, als „Nabis“, gilt. Das Foto der Karte zeigt Amsterdam, der Text beschänkt sich auf ein sehr zitables „Vive la Peinture!“. Daraus ist natürlich der Titel der Präsentation geworden. Es lebe also die Malerei! Wer wollte da widersprechen. Vor zehn Jahren war man in Rom erstmals auf die Idee gekommen, die innige Kollegenschaft im Duett vorzuführen. Titel damals: „Viva la pittura!“ Ausstellungen Machen bedeutet bisweilen ein souveränes Jonglieren mit Ausrufezeichen.

Ansonsten erfreuten sich die beiden Herren jenseits allen Ungestüms und aller Sehergaben eines glücklichen Familienlebens. Unmengen an Interieurs sind so zustande gekommen, an Stilleben und an Porträts, die das traute Heim und seine Um-, Zu- und Abstände ausloten. Dieser gelinde Eskapismus wird in der Ausstellung nun eingebettet in ein unermüdliches Zueinander von jeweils gleichen Sujets. Links Matisse und rechts Bonnard und wie sie die Welt ins Heimelige holen.

Ein besonderer Augenschmaus wird aufgetischt in der Begegnung zweier nackter Frauen auf jeweils weißblau kariertem Untergrund. Bonnards Version von 1909 steht nun Patin für jene Matisses von 1935. Deren Genese ist in mehr als 20 Fotografien dokumentiert. Man kann dabei wunderbar der Meisterzählung folgen, wie Matisse sich vorarbeitet in die Flächigkeit, in die Fläche, in die orthodoxe Flatness. Speziell bei diesem Stück, einem Gassenhauer kunsthistorischer Seminare, hätte man womöglich mehr erfahren, wäre es statt mit Bonnard mit Alfred Barrs notorischem Diagramm zu „Cubism and Abstract Art“ aus eben dem Jahr 1935 verglichen worden. Doch Methoden, die Paradeformel der Moderne, sind ausgespart. Man bleibt bei der Trautheit der Motive.

Das ist dann praktisch für eine Ausstellung, die auf die Offensichtlichkeit von hier Blumen auf Tisch und dort Tisch mit Blumen setzt. Derlei Bilder bekommt man immer, zur Not, und hier wird es füglich ausgereizt, hilft der Handel. Wo es bei beiden Künstlern deutlich aufregender zugeht, epochentypisch natürlich im Frühwerk, liefern keine Exponate Anschauungsmaterial. Messieurs M + B sind bereits kurz vor ihren Vierzig, wenn die Präsentation ihnen Zutritt gewährt. 1906 haben sie sich kennen gelernt, bei Ambrose Voillard, dem Galeristen, bei dem auch ein gewisser Picasso verkehrte. Es ist historisch nicht falsch, eine Ausstellung, die sich einer Liaison verschreibt, mit diesem Datum beginnen zu lassen. Aber kunsthistorisch. Kunst kommt nicht von Kumpanei.

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Matisse – Bonnard. „Es lebe die Malerei!“
Städel Museum
Bis 14. Januar 2018
www.staedel.de

Abbildungen:
Pierre Bonnard (1867–1947), Liegender Akt auf weißblau kariertem Grund, um 1909
Henri Matisse (1869–1954), Großer liegender Akt, 1935
© Bildrecht, Wien 2017

Mehr Texte von Rainer Metzger

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