Werbung
,

Marcel Broodthaers: Raumgedichte und Bühnenbilder

Im Erdgeschoss das Readymade einiger Palmen. Die Zeichnung eines Rahmens mit einem aufschablonierten a. Dem Entrée de l’exposition folgen die frühen Werke in alten Vitrinen: Muschel-, Eier-, Frites und Kohleakkumulationen. Danach ein Dialog von Marcel Broodthaers mit Schreibmaschine und dem Portrait von Maria Gilissen mit Stativ. Nebenan die Gründungszene des Musée d’Art Moderne Département des Aigles als Lichtbild-Projektion auf einer Transportkiste, dahinter Postkarten. Schliesslich die Filminstallation Le Corbeau et le Renard, die die Gattungen der Künste vereint. Im Obergeschoss La Conquête de l’espace kombiniert mit dem Miniaturatlas als Auftakt. Dann Broodthaers' Adaption von Mallarmé's Würfelwurf und ein ganzer Raum voller Buchstaben und Zeichen (Fig.), der im nächsten Saal seine Fortführung mit den Peintures Littéraires findet. Des Weiteren mit Dites partout que je l'ai dit, dem Tapis de Sable und Éloge du sujet eher selten gezeigte Installationen von 1974. Im Konvexspiegel das Bild des verkleinerten Museumsraumes, der den Betrachtenden eine Achse zum übernächsten Raum des Décor öffnet. Broodthaers initiierte mit Catalogue-Catalogus eine Reihe von Retrospektiven, die mit der Reflexion des Künstlers in seinem eigenen Werk relevant wird. Im Dunkel die Section Publicité mit der Broodthaers auf der documenta 5 die gleichzeitig in Düsseldorf präsentierte Section des Figures seines Musée d’Art Moderne bewarb. Mit der Schliessung seines mehrjährigen Museumsprojektes zeigte Broodthaers, dass seine Museumskritik mittlerweile in der institutionalisierten Kunstwelt angekommen und nun zu einem weiteren Gegenstand von Ausstellungsereignissen geworden war. Im nächsten Raum als grosszügiges Wandbild 24 Plaques, als sogenannte Poèmes Industriels bezeichnet. Nun folgt die Installation Décor. A Conquest by Marcel Broodthaers. 1975 im ICA London gezeigt, treffen historisches Mobiliar des XIX ième siècle und Kanonen auf Gartenmöbel und Handfeuerwaffen des 20. Jahrhunderts aufeinander. Salle Blanche wird im abgedunkelten White Cube präsentiert: Broodthaers’ massstabsgetreue Nachbildung seines Wohn-Ateliers in Brüssel, in dem er 1968 seine Museumsfiktionen eröffnete und mit verschiedenen Sektionen Kritik an den Kommerzialisierungsstrategien des Kunstmarktes äusserte. Rund 150 Wörter oder Begriffe aus Kunstbetrieb, -produktion, -rezeption und Ästhetik sind in schülerhafter Kalligraphie auf die Wände aufgetragen und evozieren im blanken Kunstraum ein reichhaltiges Bildsystem. Damit problematisierte Broodthaers die Kunst(werdung) generell, ihre Medien und ihre Werkbegriffe, propagierte die Loslösung von Bildern, Objekten, Wörtern und Handlungen aus ihrem etablierten Kontext und kritisierte nicht zuletzt die museale Repräsentation in den Praktiken des Sammelns, Archivierens und Präsentierens seines eigenen Museums als Ort der Repräsentation und Ideologievermittlung. Mit diesem letzten Hauptwerk schliesst sich der Kreis im Œuvre. In der Rotunde finden sich neben den Ardoises Magiques und dem Manuscrit trouvé dans une Bouteille Projektionen und Film als Verlängerung der Sprache. Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der documenta, inszeniert Susanne Pfeffer im Fridericianum Kassel Werke von 1964–1975 als begehbare Raumgedichte und Bühnenbilder. Broodthaers' heterogene Werke sind dramaturgisch situationsgerecht und überzeugend präsentiert und leiten – anders als in der vorangegangenen Ausstellung im Musée de la Monnaie de Paris, in der die Präsentationsfülle und Aneinanderreihung den Zugang zum Werk erschwerte – die Betrachtenden durch das Werk.

Mehr Texte von Janine Stoll

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Marcel Broodthaers
17.07 - 15.11.2015

Fridericianum
34117 Kassel, Friedrichsplatz 18
Tel: +49 (0)561 707 27 20
Email: info@fridericianum.org
http://www.fridericianum.org
Öffnungszeiten: Di-So 11-19 Uhr
Do 11 - 20 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: