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Zilvinas Kempinas: In Bewegung

Es quietscht und klappert, metallisch klingende Schläge bezeugen unüberhörbar, dass die großen Maschinen von Jean Tinguely (1925–1991) in Bewegung sind. Zwischendrin erheben sich fast unscheinbar zwei Säulen von Zilvinas Kempinas (*1969). Aus deren Innern tritt, zwischen flatternden Magnetbändern hindurch, flimmernd das gleißende Licht von Leuchtstoffröhren nach außen. Der litauische, in New York lebende Künstler arbeitet minimalistisch, mit wenigen und einfachen Materialien. Diese versetzt er entweder selbst in Bewegung oder der Betrachter bewegt sich durch die raumgreifenden Installationen, wodurch ebenfalls eine Wahrnehmungsveränderung entsteht. Einmal schweben, wie von magischer Hand gehalten, kreisende Magnetbänder über dem Boden, angetrieben von Ventilatoren an der Decke. Ein andermal senken die filigranen Bänder, lamellenartig in den Raum gespannt, die Decke des Ausstellungsraums ab und scheinen mit zunehmender Distanz heller zu werden bis zur Auflösung. Die Arbeiten des Künstlers, der 2009 an der Biennale in Venedig vertreten war, überzeugen und verblüffen durch ihre Eleganz sowie das Vermögen, mit wenig Volumen den Raum zu füllen. Ganz anders wirken die Werke von Tinguely, der vergleichsweise grob arbeitete. Akribische Perfektion lag dem Tüftler und Erfinder fern. Mit ausgedienten Metallteilen vom Schrottplatz schuf er außergewöhnliche Maschinen ohne erkennbaren Nutzen und mischte damit die Kunstgeschichte auf. Berühren, beziehungsweise einen Knopf betätigen, ist ausdrücklich erlaubt. Auf diese Weise in Bewegung versetzt faszinieren seine Konstruktionen, in Abgrenzung zu statischen Kunstwerken, bis heute. Wenn Jean Tinguely das ‚enfant terrible‘ der Kunst ist und seine Werke klobig und schwer anmuten, ist Zilvinas Kempinas, dessen Werke zierlich und leicht daherkommen, der Musterknabe für ästhetische Präzision. Die Reduktion im Materialeinsatz bewirkt, dass in seinen Arbeiten Farben selten eingesetzt werden, stattdessen schwarz und weiß vorherrschen. Zuweilen kontrastieren die ortsspezifischen Arbeiten bewusst mit den Hintergründen der Umgebung, sodass die Farbigkeit des Holzbodens oder des Ausblicks auf den Rhein verdeutlicht wird. Dem Künstler ist es gelungen, eigenständige Arbeiten in die bestehende Sammlungspräsentation von Tinguely zu integrieren. Auf diese Weise setzt er erfrischende Akzente und stellt durch Bezüge neue Sichtweisen auf die Werke von Tinguely her. Beide verbindet ein gewisser Grad an Experimentierwille sowie die Faszination an der Veränderung des Werks durch Bewegung. Dennoch vertreten beide eine unabhängige Position, weshalb die Verbindung von monografischer Dauerausstellung und Präsentation von Werken eines Künstlers aus einer späteren Generation – in Form einer Ausstellung in der Ausstellung über alle Geschosse hinweg – geglückt ist.
Mehr Texte von Sonja Gasser

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Zilvinas Kempinas
05.06 - 22.09.2013

Museum Tinguely
4002 Basel, Paul Sacher-Anlage 2
Tel: +41 (0)61 681 93 20, Fax: +41 (0)61 681 93 21
Email: infos@tinguely.ch
http://www.tinguely.ch
Öffnungszeiten: Di-So 11–19 h


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