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Faceless part I: Verstecken spielen um gefunden zu werden

Wenn am gleichen Tag vier Vernissagen zeitgenössischer Kunst stattfinden, dann berechtigt diese Gleichzeitigkeit zu einem Vergleich. Da sticht angesichts der Ausstellung „Faceless“ im Quartier 21 eines sofort ins Auge: Sie zeigt mehr künstlerische Positionen, vor allem aber mehr Gesichter als alle anderen zusammen. Denn natürlich kann da von Gesichtern gesprochen werden, sind sie auch verdeckt - im Mittelpunkt steht beinahe in jeder Arbeit das menschliche Gesicht. Es geht dabei sehr wörtlich um das Paradoxon, nach dem man vermeiden möchte, gesehen zu werden, obwohl man doch gleichzeitig bekannt sein will. Das Gesicht als Hauptträger persönlicher Identität nimmt dabei die zentrale und in der Ausstellung scheinbar einzig nennenswerte Rolle ein. Das Verwunderliche ist daran eine den meisten KünstlerInnen gemeinsame Tendenz, die Gesichter ihres Wiedererkennungswertes zu berauben: Sie übermalen, überlagern, verdecken die Gesichter, anstatt ganz einfach etwas anderes als das Gesicht zu zeigen, beispielweise eine Beschäftigung mit dem Namen als dem größten Verweis auf das zugehörige Gesicht. Diese Erscheinung liegt an der Entscheidung des Kurators Bogomir Doringer, der das Ereignis 9/11, und damit den Beginn eines Überwachungszeitalters zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen macht. Die Überwachungskamera, über die man die Menschen an ihren Gesichtern erkennt, ist eine Erklärung dafür, warum sich das enorme Spektrum an hier anwendbaren Stilmitteln auf überlagerte und verschleierte Gesichter konzentriert. Diesen Zusammenhang kann man derweil wohl erst erfassen, wenn man die einzige nicht in der Ausstellung, sondern im Durchgangsbereich beim Eingang präsentierte Arbeit als Beginn eines roten Fadens versteht, der sich durch die Ausstellung zieht: Die Kameras, die in ihrer Präsentation an die Form eines Lusters erinnern, sind außer Betrieb und erfüllen doch ihre Funktion als Generatoren von Angst. Es folgt eine Fülle an Arbeiten in einer hölzernen Ausstellungsarchitektur, die das Ganze noch fülliger erscheinen lässt. Zudem trägt die Gestaltung in ihrer tieferen funktionalen Bedeutung zur Faszination bei, die entsteht, wenn das narzisstisch–lacansche Bedürfnis, sich im Anderen wieder zu erkennen, verhindert wird. Hinter jeder Ecke, hinter jeder Silhouette wird ein Gesicht vermutet und in der Vorstellung aufgerufen - eine Beschäftigung die geistige Interaktion fordert und die Ausstellung sehenswert macht.
Mehr Texte von Stanislaus Medan

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Faceless part I
04.07 - 01.09.2013

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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