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Ändere dich, Situation : Ästhetik und Bedingung

Aber hallo, das klingt schon mächtig nach Theater: „Ändere dich, Situation!“ entstammt als rotziger Imperativ eigentlich der Streitschrift „www-slums“ des brachialen Bühnenberserkers René Pollesch. Jetzt aber, und als titelgebendes Motto der aktuellen Gruppenausstellung in der Galerie der Stadt Schwaz, sieht sich die skandallüsterne Schreck-Attitüde des drastischen Wutdramatikers wohlweislich einfühlsam eingebremst. Klar und deutlich formulierte Positionen obsiegen über „legeres Gebrüll“ (© Kreisky: Scheiße, Schauspieler) mit Ausrufezeichen. Um die Bedingungen der künstlerischen Produktion, deren Verdichtung und Verschiebung, und eine Verflechtung ästhetischer Fragestellungen mit den pekuniär-politischen Verhältnissen geht es jedem der 16 Künstler in der von Eva Maria Stadler realisierten Show: Heimo Zobernig macht, was er immer wieder am besten macht und zeigt zwei sanft ironisch gebrochene Monochromien als Resultat von Medien, Macht und Machbarkeit, Dorit Margreiter baut gewohnt dezent auf die bildhafte Wirkung des bibliographischen Umschreibens von Architektur und Harun Farocki versinnbildlicht die Wechselbeziehung von Aufteilen und Herrschen, oder wie die Zergliederung eines ganzen Kontinents mit dem Zerlegen eines Tieres strukturell zusammenhängen. Gregor Sailer untersucht das weltweite, weitgehend verschwiegene Phänomen der „geschlossenen Städte“, Joe Scanlan spielt mit dem unsteten Spannungsverhältnis zwischen Werk, Wirklichkeit und Wirkung, Verena Dengler problematisiert die akademisch verlachten Wiener „Arbeitermaler“, und Michaela Melián dokumentiert die Realitätsebenen von Produkt und Produktion anhand des Settings des legendären Siemens-Studios für elektronische Musik. Während Christopher Williams das ästhetische Diktat des gerade insolvent gegangenen Weltkonzerns Kodak hinterfragt, thematisiert Zoe Leonard die prekären Verhältnisse rund um dessen Vertriebssystem. Schon im Entree empfängt eine „Tafelbild-auf-Bildtapete“-Installation von Michael Riedel, die die virtuelle Internetidentität im Quellcode der Ausstellung in den realen Raum der Produktionsstätte einbindet. Rens Veltman, Krüger & Pardeller und Eric Kläring nähern sich dem Thema experimentell, metaphorisch oder objekthaft, der Tiroler Künstler Peter Raneburger aber verkörpert in Persona eine Künstlerexistenz am Rande von Markt und Metropole. Damit ist man allerdings nicht ganz aus der Welt: Wenn man wie Raneburger in den Fokus von Martin „Alles-Jäger“ Humer geraten war, dann war schnell ein zumindest für Osttirol mittelgroßer Kunstskandal inklusive Strafanzeige losgetreten. Eine kulturhistorische Note kann Kathi Hofer einem zwischenzeitlich ernst genommenen Aspekt bei der Fabrikation von Künstlerbedarfsartikeln abgewinnen: Der Reprint einer Werbegrafik der Firma Faber-Castell, die sich mit der Corporate Identity ihrer grün gefassten Farbstifte in das kollektive Unterbewusstsein ganzer Generationen von Künstlern eingeschrieben hat, verweist wie von nebenher auf den Raubbau an menschlichen / natürlichen Ressourcen am Anbeginn der klassischen Moderne, die Authentizität in fremden Kulturen und exotischen Kulissen suchte und fand. Allzu viel scheint sich am Machtapparat des weltweit regierenden „Empire“ nicht geändert zu haben. Walid Raad hatte 2011 den ersten globalen Kunststreik organisiert, der sich gegen die Ausbeutung der Arbeiter auf der Baustelle des Guggenheim Abu Dhabi wandte: „Wer mit Mörtel und Steinen arbeitet, verdient den gleichen Respekt wie jemand, der mit Kamera und Pinsel umgeht.“ Zusatz: Von anderen Kulturarbeitern ganz zu schweigen...
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Ändere dich, Situation
20.04 - 09.06.2012

Kunstraum Schwaz
6130 Schwaz, Palais Enzenberg, Franz-Josef-Straße 27
Tel: 0043 52 42 73 98 3, Fax: 0043 52 42 66 89 6
Email: office@kunstraum-schwaz.at
http://www.kunstraum-schwaz.at
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 10-15 h


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