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Yael Bartana: Fiktive Frage zu realen Problemen

Wie sollte die EU sich verändern, um Andere willkommen zu heißen? Welchen Wandel sollte Polen in einer veränderten EU vollziehen? Und was müsste Israel tun, um Teil des Nahen Ostens zu werden? Drei Tage lang diskutierten Intellektuelle verschiedener Sparten während der bekanntlich höchst politisch ambitionierten Berlin Biennale 2012 über Fragen wie diese auf dem ersten Internationalen Kongress des Jewish Renaissance Movement in Poland (JRMiP). Initiatorin der Veranstaltung war die Israelin Yael Bartana. Mit dem JRMiP sorgte sie schon ein Jahr zuvor im Rahmen der Venedig Biennale für Diskussionen. Ihre rund um die fiktive Bewegung gruppierte Filmtrilogie zeigte Bartana, selbst polnisch-jüdischer Herkunft, brisanterweise im polnischen Pavillon. Das Projekt visioniert die Rückkehr von 3,3 Millionen Juden nach Polen. So viele lebten dort nämlich vor dem Naziregime, heute sollen es geschätzte hunderttausend sein. An all das knüpft die Künstlerin nun in ihrer Ausstellung im Hauptraum der Secession an. Kernstück der Schau ist ein ausgeleuchtetes Podest auf dem jener Roundtable in Szene gesetzt ist, an dem während des Kongresses getagt wurde. Neben dieser Referenz gibt es eine weitere in Form einer filmischen Dokumentation der Diskussion. Unweigerlich stellt man sich hier, wie schon in Venedig, die Frage nach der politischen Wirksamkeit von Kunst. Und kommt zu dem Schluss, dass es genau solcher fiktiver Ansätze bedarf, um dem Denken generell eine andere Richtung zu geben. Bartana spinnt den gedanklichen Faden rund um das JRMiP in Wien noch weiter, indem sie zwei namhafte, einst hier lebende jüdische Persönlichkeiten damit verzahnt: Sigmund Freud, Vater der Psychoanalyse, und Theodor Herzl, Begründer des modernen politischen Zionismus, stehen Pate für weitere Exponate. Der Ausstellungstitel „Wenn ihr wollt, ist es kein Traum“ strahlt den Betrachter in Form eines Neonschriftzuges an. Es ist die Abwandlung Herzls Motto „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“, das er seiner literarischen Vision eines Judenstaates, dem Roman „Altneuland“ vorangestellt hat. Für einen Brückenschlag zwischen Herzl und dem JRMiP gibt das abgewandelte Zitat viel her. Weniger überzeugen dagegen das Diagramm und drei Vitrinen anhand derer Bartana Querverbindungen zwischen den beiden Geistesgrößen und dem Movement herzustellen versucht. Zu konstruiert und bemüht wirken diese Versatzstücke der Schau. Insgesamt scheint es, als hätte Bartanas Langzeitprojekt, das in Venedig allein durch den Sog filmischer Bilder emotional enorm in den Bann zog, nun in seiner Wiener Fortsetzung eine eher konzeptuelle Straffung erfahren.
Mehr Texte von Manisha Jothady

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Yael Bartana
07.12.2012 - 10.02.2013

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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