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Warum wird Kunst öffentlich gefördert?

... und nicht wie vieles andere einfach dem Markt überlassen? An die großzügige Unterstützung unserer Kunstmuseen und Kunsthallen mit Steuergeldern haben wir uns gewöhnt, aber kennen wir auch die offiziellen Begründungen dafür?

Ich werde dieses heikle Thema – dem Medium des kurzen Kommentars entsprechend – nur mit einigen Schlaglichtern erhellen können, aber einige bemerkenswerte Verschiebungen sind schnell offensichtlich: Die Geschichte der Begründungen für eine öffentliche Förderung von Kunst durchzieht eine tiefe Bruchlinie zwischen einer Ausrichtung am Kunstwerk einerseits und an der Künstlerpersönlichkeit andererseits. Und wie mir scheint, ist diese Unterscheidung für den heutigen Kunstbetrieb wieder sehr aktuell geworden.

Werfen wir zuerst einen Blick zurück: In früheren Aristokratien waren Kunstsammlungen vor allem elitistisch motiviert: Einerseits der Repräsentation von Vermögen und Geschmack verpflichtet, andererseits der modellhaften Repräsentation des „idealen Menschseins“. Die Idee hinter zweitem mag ein Zitat des deutschen Kultursoziologen Nicolaus Sombart verdeutlichen: "Das Verhältnis von Politik und Kunst hat eine Geschichte. An ihrem Anfang steht ein Modell, das tief in unseren Denkvorstellungen verwurzelt ist und dessen Struktur auch da noch Gültigkeit beanspruchen kann, wo man seine historische Herkunft längst vergessen hat. Politik und Kunst sind gemeinsam, gleichrangig, höchste Ausdrucksform der 'civitas'; in dem einen Bereich organisieren und ordnen sich Machtverhältnisse der Gesellschaft, entfaltet sich ihr Herrschaftssystem; in dem anderen verwirklicht sich ihre Selbstdarstellung. Beiden ist gemeinsam, dass sie die Möglichkeit zur höchsten Selbstverwirklichung des Menschen bieten – für eine kleine Anzahl von Ausnahmeindividuen allerdings nur. Die höchsten Repräsentanten beider Bereiche waren der optimale Ausdruck der zu ihrer Zeit erreichbaren menschlichen Autonomie – vorbildlich und stellvertretend für alle. Ich spreche vom 'Fürsten' hier, vom 'Künstler# dort. Der Umgang mit dem Künstler war – mehr als alles andere – 'le fait du prince', eine unerlässliche Bedingung des Fürst-Seins: der Umgang mit dem Fürsten, das Privileg, aber auch die Arbeitsvoraussetzung sine qua non des Künstlers. In ihrer Beziehung zueinander waren sie gleichberechtigt und erkannten sich als ebenbürtig an.“ [1]

Mit dem Ende der Monarchien und Fürstentümer erodierte dieser Dipol von Kunst und Politik und mit ihm auch die bis dahin geltenden Begründungen, Kunst speziell zu fördern. Dennoch wurde Kunst auch in den neu entstehenden Demokratien bald wieder mit öffentlichen Steuermitteln unterstützt. Allerdings mit einer ganz anderen Rechtfertigung. Die Begründung war nun, dass der Umgang mit und der Anblick von Kunstwerken die Menschen zu besseren, sozial und ökonomisch verträglicheren Bürgern mache. [2] Die entsprechende Diktion gibt ein Zitat von 1864 aus den USA – einem Land mit einer betont liberalen Tradition –gut wieder: „Wenn wir die Welt schöner machen, dann machen wir sie auch besser – moralisch und gesellschaftlich. Für solche Verbesserungen hat der Staat, hat die Regierung Sorge zu tragen.“ [3]

In der Folge entstanden viele neuen Museen, die auf diese spezielle Form der Erbauung der Bevölkerung ausgerichtet waren. Ähnlich im Sinne des Gemeinwohls begründet wurde auch die Subvention von öffentlichen Bibliotheken, später auch die Förderung des Kunsthandwerks und der Gestaltung der alltäglichen Dinge (Design). Bei all diesen Instrumenten ging es um ein Anheben des „gesellschaftlichen Niveaus“ – später auch mittels des Aufzeigens von gesellschaftlichen Utopien oder der Kritik an den bestehenden Zuständen –, das wiederum allen Steuerzahlern zugute kommen würde. Der Ansatzpunkt hierfür war die Bildungsbereitschaft jedes Einzelnen, und im Zentrum stand der Kontakt mit verschiedensten „Werken“.

Nun ist die Orientierung an Werken allerdings bereits seit längerem am Schwinden. Die Museumsbesucher gehen nicht mehr in die Sammlungshallen, um sich an „Werken“ zu bilden, stattdessen orientiert man sich an Künstlerpersönlichkeiten und die Institutionen werben schlicht mit Namen: Von Monet bis Picasso, von Wurm bis Ai Weiwei. Entsprechend werden von der „Kunstkritik“ statt Bildbesprechungen und Ausstellungsrezensionen auch immer mehr Interviews und Homestories geliefert. Die Idee vom idealen Menschsein (Fürst und Künstler) erlebt damit eine seltsame Renaissance: Nun nicht mehr als elitistisches Modell – wenige stellvertretend für alle –, sondern als Normalfall. Emanzipation, Selbstausdruck und Selbstverwirklichung will heute nicht nur jede/r betreiben, es herrscht diesbezüglich auch ein gesellschaftlicher Imperativ. Wenn sich nun aber jede/r „künstlergleich“ an der Verwirklichung eines höchsten individuellen Autonomieanspruchs versucht, dann könnte oder müsste solches Unterfangen auch im gleichen Maße öffentlich gefördert werden wie einst und bis heute die „Berufskünstler“. Damit würde das bekannte Diktum von Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler – aber nicht jeder ein Berufskünstler“ [4] zu einer interessanten neuen Förderrichtlinie.

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[1] Nicolaus Sombart: "Über das Verhältnis von Kunst und Politik". In: Kunst wofür? Publikum, Museen, Handel, Politik. Wien 1979. S. 63f.

[2] Daraus abgeleitet forderte Benjamin Latrobe bereits 1808 in den USA „die Anerkennung der Kunst als wesentliches Element der Demokratie“.

[3] Aus James J. Jarves „The Art Idea“, USA 1864.

[4] Joseph Beuys im Gespräch mit Georg Jappe, Kunstforum int., Bd. 20, 1977, S. 144.

Mehr Texte von Vitus Weh

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