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Biennale des Antiquaires: Beachtliches Jubiläum

Ein beachtliches Jubiläum, in der Tat: Zum 25. Mal traf sich die Elite des französischen Kunsthandels und einige ihrer Freunde zum Fest des Luxus und der Moden (na ja, Letzteres nicht so ganz), und wieder im Grand Palais, der zum Teil aber noch immer Baustelle ist. Was die Biennale aber nicht betraf. Im übertragenen Sinne ist sie aber schon eine Art permanenter Baustelle, denn sie ist in stetigem Umbruch, in permanenter Entwicklung. Mit dem anderen Großereignis dieser Art, der jährlichen Tefaf in Maastricht, hat sie aber immer weniger gemein. Die Ausformungen sind zu unterschiedlich geworden. Man kann eine Biennale ja ohnehin nur eingeschränkt mit jährlich wiederkehrenden Ereignissen vergleichen. Aber, was sich in der jüngeren Vergangenheit schon abzeichnete, ist itzo ganz klar geworden (was viele Teilnehmer auch bestätigen): Paris und Maastricht spielen je in einer eigenen Liga. Maastricht ist die große Altmeistermesse geworden (mit ergänzendem Angebot), Paris hat sich der Grande Décoration und den Industries de Luxe verschrieben. Ebenfalls mit ergänzendem Angebot. Und was hier Ergänzung ist, ist dort Hauptsache. Voilà. Die Welt der Antiquitätenmessen wird international von einer Doppelspitze regiert. Der Grand Palais ist zwar eine tolle Adresse, ist aber schwer zu klimatisieren. Scheint strahlend die Spätsommersonne über der Seine, wird’s in der großen Halle hübsch feuchtwarm. Ums Herz ohnehin, denn es ist schon mehr als außergewöhnlich, was die Händlerschaft dort an exklusivsten und atemberaubendsten Objekten zusammenträgt. Und das auf allen wichtigen Gebieten. Bei den Antiken etwa brillierte Phoenix Ancient Art (Genf & New York) mit einem auf den Punkt gebrachten, sehr überzeugend orchestrierten Stand und einer umwerfenden Reiterfigur Alexanders d. Gr., der größten bekannten ihrer Art. Sie zeigt den strahlenden Helden wie er die (nicht erhaltene) in Wirklichkeit 20 kg schwere Wurflanze „Salisa“ führt. Die Bronzefigur aus dem 3. Jahrhundert „vor“ ist mit Sicherheit eine der bedeutendsten Antiken, die in den vergangenen 25 Jahren angeboten wurden. Für den Kaufpreis dürfte man das eine oder andere auf „Helmut Kohl“ lautende Konto im Kleinen Walsertal leerräumen müssen wollen wenn man kann. Und sie ist jeden Cent davon wert. Asiatika sind auch in besten Qualitäten und sehr reichhaltig vertreten, aber den Kern des Angebots bildet das allerhöchst anzusiedelnde Kunsthandwerk und die Malerei der Moderne, aber deutlich dahinter. So etwa bei Steinitz (Paris), der einen eigen Geschmack (Le goût Steinitz) etabliert hat. Sein Stand ein grandioses Kunstgewerbemuseum in nuce, aber mit einigen Bilderzeugnissen aus jüngerer Zeit, bei denen weniger Geschmackssicherheit regiert. Hier herrscht trotz allem aber eine klare Linie; andere Anbieter dagegen, an denen die Zeit spurlos vorüber gegangen zu sein scheint, präsentieren noch immer ein Sammelsurium, edel zwar, aber chaotisch. Da steht und hängt dann Vielerlei, nur sehen kann man eigentlich nichts. Das geht dann von Samurai-Rüstungen über Einhorn-Hörner (sprich Narwal-Zähne) zu reliefierten Elefanten-Stoßzähnen. In Frankreich liebt man auch das 19. Jahrhundert, und da sogar die im deutschsprachigen Raum nicht so beliebten Zweitstile. Chadelaud (Paris) trumpfte hier so auf, dass man andauernd „Les Préludes“ zu hören glaubte. Wozu dann die Garderobe der Damen des pp. Publikums nicht so recht passen wollte. Sportlich chic ja, aber trist, grau, farblos. Schrecklich, die nach Herrenmanier graumäusigen Damen. Nur dann und wann, dem weißen Elefanten gleich, ein violettes Kostüm … Bei Berko (Knokke, Shanghai) guérierte sich das 19. Jahrhundert dann in einer dem genius loci verpflichteten Manier mit Orientalisten und dem Feiern des Lifestyle der Zeit von vor fünf oder sechs Generationen. Ins 20. Jahrhundert, gelegentlich sogar ins 21., führte der Bilderhandel. L+M aus New York und L.A. boten Léger, Calder, Arshile Gorky, Giacometti, Glaskunst (!!) von Ritsuo Mishima und Zeitgenössisches von Paul McCarthy, ein schwarzes Piratenstück mit Schweinen, obszön obendrein. Da gibt dann die Kunst halt wieder einmal den sozial akzeptablen Rahmen ab. Das war schon immer so. Bei Krugier (Genf) konnte man Picasso bekommen, vorwiegend aber kleinformatige Arbeiten und Studien. Dazu Henri Laurens und Modiglianis „Belle Chocolatière“. Alle Achtung. Einen Käufer gefunden hatte schon ein hübsches buntes Bild von Paul Klee. Applicat / Prazan hatten einen Schwerpunkt im Werk von Jean Fautrier, sekundiert von Soulages, Appel und Georges Mathieu, der in Frankreich hoch geschätzt wird, in Österreich, Deutschland und international aber völlig unterbewertet wird. Marlborough hatte einen riesigen, 2x4 Meter messenden Mathieu dabei (1958), dazu noch einen Warhol („Double Hamburger“, 1986), der sogar auf 3x6 Meter kommt. Ein echter Knüller: Antoine Laurentin mit seiner Retrospektive von César Domela (40-60.000 Euro), vorwiegend mit Arbeiten aus „edlen“ Materialien. Nun, auch altere Meister kommen im Grand Palais durchaus zu ihrem Recht. Was Didier Aaron so auf seinem Stand hat, lässt allgemein das Sammlerherz höher schlagen, bei dem Bildern beachtete man sehr das Stillleben von François Desportes – ein Maler, der seine Sammler hat, denen er in der Regel 2–300.000 Euro auf Auktionen wert ist. Richard Green wäre nicht Richard Green, wenn seine Palette nicht von Solomon van Ruisdael und (dem selten angebotenen) Caspar Netscher über Pissarro und Renoir zu Fantin-Latour und Albert Marquet reichte. Marquet zu entdecken ist eine Aufgabe, die der Markt gut gelöst hat. Sein Höchstpreis auf Auktionen (lt. Artprice.com) liegt bei 1,35 Mio. Euro (Sotheby’s London, Juni 2008). Der einzig verbliebene deutsche Teilnehmer war Konrad O. Bernheimer (mit Colnaghi, natürlich). Hier gab es einen ganz frühen Giovanni Boldini, ein Wimmelbild mit eingearbeitetem Selbstporträt (750.000 Euro), und ein veritables Prunkstillleben mit Austern (1655) von de Heem. De Jonkheere hatte Erstaunliches aufgefahren: Von Herri met de Bles die „Belagerung von Thérouanne“, mehrere Pieter Brueghel d. J., dazu den älteren Cranach. Die Stände waren, bei gut besuchter Messe, oft ziemlich voll. Nur die mit Design erschienen eher leer, Design tut sich halt immer (noch) schwer, zumal das ein Bereich ist, in dem die Schnäppchenjäger unterwegs sind. Das ist insofern verständlich, als bei den alten Möbeln oft Unikate angeboten werden, Design aber (Klein-) Serien aufweist. Weniger verständlich: Warum die Auszeichnungen der Werke mit Info-Schildchen bei vielen Anbietern wenn überhaupt vorhanden, dann so rudimentär ist. Die Biennale hat ein „Tremplin“ genanntes Forum für junge Händler eingerichtet, die sonst (noch) nicht auf der Messe vertreten sind. Das Angebot war nicht wirklich überzeugend (mit Ausnahmen natürlich). Für die Händler des Tremplin ist es, so Fabien Mathivet, „eine gute Chance sich bei den Sammlern in einem ansprechenden Rahmen einzuführen.“ Er hatte zwei Sessel von Paul Poiret dabei, der auch ein bekannter Modeschöpfer vom Anfang des 20. Jahrhunderts war. Im Ladengeschäft läuft noch bis zum 9. Oktober eine Ruhlmann-Schau. Von M. Mathivet wird man wohl noch hören. Es gab bei dieser Jubiläums-Biennale einen ganzen Strauß Parallel-Aktivitäten, unter anderem bei Kugel am Quai Anatole France die „Anticomania“ oder die Themenschau zum Exotismus in der Galerie Aveline wo die Bremer Galerie Neuse zu Gast war. Die allerhochwohlmögendsten Kunstgewerbe-Objekte von Neue ergänzten vortrefflich die Millionen-Möbel von Rossi (Inh. V. Aveline), vor allem ein Trinkgefäß in der Form des Sagenvogels Roc, komplett mit dem kleinen Seefahrer Sindbad. So klein kommt der Besucher sich manchmal auch vor auf der Biennale, angesichts des überbordenden kulturhistorischen Reichtums, mit dem er dort konfrontiert ist. Auch 2012 eine Reise wert, in der Tat.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Biennale des Antiquaires
15 - 22.09.2010

Grand Palais
75008 Paris, Avenue Winston Churchill
https://www.biennale-paris.com/
Öffnungszeiten: täglich 11-21 h


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