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Ian Anüll - Rien ne va plus: ® 2010 Ian Anüll: Alchemie, Allegorie, Paradoxie

Auf der Wand sehen wir eine Bleistiftvorzeichnung, die scheinbar inmitten des Entstehungsprozesses abgebrochen wurde: Die weissen Buchstaben „Rien ne va plus“ heben sich bereits lesbar aus dem grauen Anstrich, der eins wird mit dem nun grauen Boden im Helmhaus, wobei das Bild eines unfertigen Arbeitsprozesses präsentiert wird. Der weltberühmte Ausspruch des Croupiers am Roulettetisch steht Pate für Ian Anülls Arbeiten der letzten 25 Jahre. Eine halbfertige Wandarbeit, mitten im Arbeitsprozess – und nichts geht mehr? Selbstverständlich beginnt immer wieder ein Spiel: aus Bestehendem wird ständig Neues entwickelt. Altes wird neu kombiniert, vermeintlich Logisches löst sich in paradoxen Zuständen auf, und wie der Titel, so übernehmen viele Exponate eine Stellvertreterfunktion. Entsprechend der Metapher des Roulettes stellen Anülls Werke weniger eine kritische Analyse, als vielmehr eine bissig-spielerische Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Zuständen dar. Bereits in vergangenen Ausstellungen fokussierte Anüll die symbolische Aufladung von Artefakten, ihren Bezeichnungen und ihrer Materialität. Visuelle Versatzstücke aus der Welt der Konsumgüter werden installativ zusammengefügt und demonstrieren damit die Unzertrennlichkeit von Kunstwelt und ökonomischem Kreislauf. Geldscheine dienen mehrmals als Bildträger und Ausgangsmaterial: In „Change“ (1983/84) verweisen sie in Form von Tempelstümpfen aus Pappmaschee auf die vergangenen, goldenen Zeiten ihrer Heimstatt, dem Geldinstitut. An anderer Stelle erscheint die feingliedrige Linienstruktur von Banknoten als karnevaleskes Konfetti auf einer Papiercollage oder mutiert durch eine dunkle Übermalung – nomen est omen – zu Schwarzgeld. Anülls Vorgehen gründet darin, durch Haptik, Icons, spezifische Farbigkeit und gezielten Materialeinsatz Assoziationen abzurufen. Vergleichbar mit dem Stilmittel des sprechenden Namens erfordern erfordern seine rebusartigen Rätsel eine visuelle Dekodierung von den Besucher/innen, was in den meisten Fällen aufgrund einfach verständlicher Anspielungen sofort funktioniert und sich im Schmunzeln der Betrachter/innen widerspiegelt. Über die „1000M“ (1994/2009) würden wir uns deshalb auch in weiteren 15 Jahren wieder freuen. Hinsichtlich ihrer Medialität sind die Werke völlig heterogen: Bearbeitete Papiercollagen, Fotografien und Tafelmalereien werden in Serien und einzeln präsentiert oder zusammen mit Objekten zu Installationen gruppiert. Mit Ausnahme des Eingangsraums, der mit einigen Arbeiten zu China eher ein Stiefkind bleibt, beeindrucken im unteren Ausstellungsbereich diese nonchalanten Arrangements zwischen älteren und neueren Arbeiten. Im oberen Stockwerk überzeugen die auf 'Duvees Deluxe' projizierten Videoarbeiten. In Kontrast zu den sich überlagernden Tonspuren aus Stadtgeräuschen strahlen sie aus, was die Gesellschaft den Protagonist/innen der Videos verweigert: Sanftheit, Wärme und Geborgenheit. Als Ausstellungsbesucher/innen schauen wir konditioniert auf die Projektionen der städtischen Aussenräume und wandeln im Dunkeln durch den beinahe intimen Innenraum. Wir werden zu Voyeur/innen und blicken dorthin, wovon wir uns sonst abwenden. Das stimulierte Ohr kommt im nächsten Raum ganz auf seine Kosten. Ian Anüll gibt hier Einblick in seine beneidenswerte Sammlung von Künstlerschallplatten und schliesst den Bogen zum Eingangsbereich des Ausstellungsbereichs: Die Garderobe ist ein Record Store in dem man ein Anüll-Multiple erwerben und schon mal hören kann, wie die Band „Embryo“ klingt, die am 30. März die Zürcher Wasserkirche zum Klingen bringt, bevor Ian Anüll mit Sven Schneider vom Berliner „Klub der Republik“ die Gemüter vom Plattenteller aus erhitzen wird.
Mehr Texte von Marianne Wagner

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Ian Anüll - Rien ne va plus
05.02 - 05.04.2010

Helmhaus Zürich
8001 Zürich, Limmatquai 31
Tel: ++41-1-251 61 77, Fax: ++41-1-261 56 72
http://www.helmhaus.org
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 h


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