Walid Raad - Sweet Talk: Commissions (Beirut): Der Spaziergänger des Paris des Nahen Ostens

Der Bürgerkrieg im Libanon dauerte von 1975 bis 1991. 1987 begann Walid Raad Beirut fotografisch zu dokumentieren, ohne noch zu wissen warum und wofür, noch die Möglichkeit der Präsentation der Fotografien zu sehen, wären diese doch noch in den 1980ern für militärische Zwecke missbraucht worden und in den 1990ern für die Interessen von Immobilien-, bzw. Finanzspekulanten. Raad beauftragte sich selbst mit dieser Dokumentation Beiruts und gab den Aufträgen den Titel „Sweet Talk“. Ausschlaggebend für die jetzt erstmalige Ausstellung des langjährigen Projekts, das noch keineswegs abgeschlossen ist, war David Goldblatt, dessen Werkserien sich ebenfalls über einen langen Zeitraum erstrecken. Es steckt sehr viel Persönliches von Walid Raad in dieser Ausstellung. Das zeigt sich im von ihm selbst verfassten Pressetext ebenso wie in der Art und Weise wie er über die Ausstellung und seine Arbeiten spricht. Raad war acht Jahre alt als der Bürgerkrieg ausbrach und er war 20 Jahre alt als er die „Commissions“ begann. Das heißt Raad lebte zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte seines gesamten Lebens in einem Land, das sich in einem destabilisierten Zustand befand. Das erklärt einiges, dennoch bleibt es für junge Mitteleuropäer, die Krieg nur noch aus Geschichtsbüchern und Weltnachrichten kennen, unfassbar, was das bedeutet. Wenn Raad erzählt, dass er zu Beginn vielleicht schon nach 50 Metern auf eine unsichtbare Barriere stieß, dass er im wahrsten Wort zu weit gegangen war, weil er den Teil Beiruts, in dem er bekannt war, verlassen hatte, dann hört man das, nickt dazu, denkt sich vielleicht, wie seltsam das wäre, aber nachvollziehen kann man das nicht. Die Fragen „Who are you? What are you doing?“ signalisierten Raad, dass er seine Kamera einpacken und umkehren musste. Dabei stellte er sich vor, dass gleichzeitig mit ihm 100 andere Fotografien den Teil Beiruts dokumentierten, in dem sie sich frei bewegen konnten. Diese anderen Fotografen sammelte er unter dem Namen „The Atlas Group“, dem Synonym unter dem Raad bis jetzt ausstellte. Der Radius, in dem er sich bewegen konnte, erweiterte sich mit der Zeit, der Wiederaufbau begann, Beirut veränderte sich und so veränderte sich auch Raads Arbeitsweise. So ergibt sich eine Unterteilung in vier Werkgruppen, die zwar nicht chronologisch angelegt sind, jedoch durch die Chronologie der Arbeitsweisen bestimmt sind. Es ist sehr berührend diese Fotografien zu sehen und es ist sehr beeindruckend Walid Raad über seine Arbeiten sprechen gehört zu haben.

Mehr Texte von Nora Theiss

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Walid Raad - Sweet Talk: Commissions (Beirut)
29.01 - 05.04.2010

Camera Austria
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