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Viel versprechender Aufbruch

„Era New Horizons“ – das Filmfestival in Breslau hat sich auf die Fahnen geschrieben dem Mainstream nicht hinterherzulaufen. Diese Haltung, dem Bedürfnis nach bloßer Unterhaltung entgegenzuwirken, verdankt die Kinoschau nur einem Mann - Roman Gutek. Der Gründer des seit 2001 jedes Jahr im Sommer stattfindenden Events sowie gleichzeitiger Betreiber eines Filmvertriebs führte mit Regisseuren wie Jim Jarmusch, Lars von Trier sowie Park Chan-wook und Wong Kar-Wai in Polen Filme ein, die auch dort für ein unkonventionelles, experimentelles und raues Kino stehen. Das in diesem Jahr aus 550 Beiträgen aus 45 Ländern bestehende umfangreiche Programm findet trotz eines geringen Staraufgebots ein internationales Publikum, geht es doch hier noch ganz und gar um den Film. Den Auftakt machte der mit goldener Palme in Cannes ausgezeichnete Film Michael Hanekes „Das weiße Band“. Hanekes’ Versuch sich filmisch auf die Spuren des norddeutschen Protestantismus zu begeben folgte ein weiterer in Cannes prämierter Film mit dem Titel „Nymph“ von dem aus Thailand stammenden Regisseur Pen-Ek Ratanaruang . Den Schlusspunkt der elftägigen Schau setzte Martin Provosts Beitrag „Seraphine“, welcher diesjährig in Paris mit sieben Ceasars ausgezeichnet wurde. Ob die Geschichte über die fast vergessende Malerin Seraphine Louis symbolisch für den neuen ins Leben gerufenen internationalen Wettbewerb „Filme über Kunst“ stand, ließ sich nicht eindeutig ausmachen. Unter den zwölf Wettbewerbsbeiträgen, die Bereiche wie Architektur, Musik, Literatur und Bildender Kunst abdecken konnten war Peter Greenaways 2008 gedrehter Film “Rembrandt J`Accuse!“ sicher kein besonderer Höhepunkt, selbst wenn Greenaway persönlich vor der Vorführung anwesend war. Die mit einer großen Verschwörungstheorie aufwartende Dokumentation stellt das bekannteste Gemälde Rembrandts, die „Nachtwache“, in den Interpretationswinkel eines mörderischen Krimis und wurde vermutlich vor allem deshalb im Wettbewerb gezeigt, weil Greenaway die Studioszenen zum Vorgängerfilm “Nightwatching“ aus Kostengründen in Polen drehte. Aber obwohl der Beitrag stark an die verwickelten Konstruktionen eines Dan Brown erinnert, sind die betont theatralischen Szenen und wohlkomponierten Bilder eine durchaus gelungene filmische Schau, die ganz nach Greenaways Manier den Zuschauer zwingt, die Bildersprache wieder neu lesen zu lernen. Sicher, den Greenaway neueren Datums sieht man in Breslau nicht, sondern auf der derzeitigen Biennale in Venedig. Eine Multimediaprojektion zu Veroneses „Hochzeit zu Kana“ ist in der Kirche S. Giorgio Maggiore noch bis zum 13. September zu sehen. Die Jury des Wettbewerbs dieser Sektion, geleitet von der polnischen Künstlerin Katarzyna Kozyra, verlieh die besondere Erwähnung dann auch nicht Greenaway sondern dem Beitrag des niederländischen Künstlers und Regisseurs Johan Grimonprez. Sein „Double Take“ (2009) bedient sich wie schon der Filmessay "dial H-I-S-T-O-R-Y" von 1997 erneut der unerschöpflichen Bildarchive, um in der überlieferten Historie parallelen Verläufen nachzuspüren. Den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis bekam „Flicker“ unter der Regie von Nik Sheenen aus Kanada. Ein sachlicher, authentischer und lebensnaher Film über den britisch/kanadischen Schriftsteller und Maler Brion Gysin. Insgesamt lässt die neue Sektion eine Tendenz erkennen, die darauf abzielt, mit künstlerischen Videoproduktionen ein neues Publikum - das Kinopublikum - zu erreichen. Und auch im Museumsbetrieb stellt sich immer zunehmend die Frage, ob es sinnvoll ist, Videokunst sowie Videodokumentationen nur hinter verschlossenen Ausstellungsräumen zu zeigen. Umgekehrt wäre es nicht auch an der Zeit den Film im Kunstzusammenhang wahrzunehmen? Zumindest die großen Museen in Polen verzichten häufiger beim Thema Kunstfilm ungern auf gute Beispiele. 7ff.eranowehoryzonty.pl
Mehr Texte von Berenika Partum

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