Marianne Wagner ,
Wanderziel Kunst: Ein- und Aussichten: Großartige Ausblicke und künstliche Welten - die Wildstrubelhütte
Über das Erlebnis der Bergwelt haben schon viele nachgedacht. 1895 schrieb beispielsweise Georg Simmel über die Wirkung der Berge auf die Gipfelstürmer: „Ich glaube, dass der Bildungswert der Alpenreisen ein sehr geringer ist.“ ("Alpenreisen", 1895). In diesem Sommer gesellt sich auf fünf ausgewählten Berghütten des Schweizer Alpen-Club SAC jedoch ein durchaus intellektueller Genuss zum romantischen Reiz des Alpenglühens und zur Ertüchtigung durch das Auf- und Absteigen. Die SAC Kulturkommission hat den Kurator Andreas Fiedler eingeladen unter dem Titel "Wanderziel Kunst: Ein- und Aussichten" eine dezentrale Ausstellung auf fünf Berghütten in allen vier Sprachregionen der Schweizer Bergwelt durchzuführen. Nach der Ausstellung "hoch hinaus" im Kunstmuseum Thun 2005 ist dies die 24. Kunstausstellung, die der Schweizer Alpen-Club zusammen mit dem Schweizer Kunstverein ausrichtet.
Insgesamt lassen sich Kunstinterventionen von 14 Schweizer KünstlerInnen erwandern. Yves Netzhammers Fahnen, die dem Design der allgegenwärtig gelben Wegweiser mit rot-weisser Spitze entsprechen, sind auf allen fünf Hütten zu finden. Auf seinen „Windlandschaften“ flattern Wörter wie „Sprachfetzen“ oder „Bakterien“ und regen den Wortwechsel der Hüttenbesucher an. Kunstfernes und kunstliebendes Publikum tummelt sich um die Hütten und begutachtet teils amüsiert, teils argwöhnisch die künstlerischen Eingriffe. Der von Judith Albert erfundene Schutzheilige „San Carlo di Monte Grande“, der „Schutzpatron für die Berge und das ewige Eis“, ist in Form einer portablen Streichholzschachtel präsent. BergsteigerInnen können den darin enthaltenen Stein an einem Ort auslegen, den sie als schützenswert erachten. Über dem Staunen am Gipfel und der Erleichterung um den Rucksack im Tal ist wohl aber die eine oder andere Schachtel unterwegs in Vergessenheit geraten und mit den Wanderern nach Hause gefahren.
Von der Wildstrubelhütte lassen sich direkt George Steinmanns vernebelte und mysteriös anmutende Bergwelten postal versenden und mit Ariane Epars Stempel „Point de Vue“ versehen. Zum Kartenständer gesellen sich nebenan selbst gebastelte Ansichtskarten der Wirtsleute, die keinesfalls Teil des Kunstprojektes sind. Sie zeigen den von der Terrasse erlebbaren, unglaublichen Sonnenuntergang und den eindrücklichen Gipfelblick auf den Glacier de la Pleine Morte. Die Bergblicke sind live kaum zu übertreffen, während der Auftritt der Wirtsleute auf der Wildstrubelhütte eher einem Erlebnis der anderen Art gleicht.
Im Untergeschoss hat das Künstlerduo Monica Studer und Christoph van den Berg einen hölzernen Guckkasten mit einem leider viel zu grossen Guckloch installiert. Dieses gibt den Blick auf die langsam vorbeiziehende, computergenerierte Bergwelt frei. Wie auch die aussen plazierten gesteinsähnlichen Skulpturen von Markus Schwander sind alle in den Kunstwerken auftauchenden Gesteinsformationen oder Panoramen künstlich zusammengesetzt. Als künstlerisch bearbeitete Bergwelten konkurrenzieren sie die echte Bergwelt nicht, sondern stellen ihr in Form einer Denkebene eine andere Welt zur Seite.
Mehr Texte von Marianne Wagner
Wanderziel Kunst: Ein- und Aussichten
18.07 - 25.10.2009
Wildstrubelhütte
Lenk,
http://www.sac-cas.ch/Wildstrubelhuette.1483.0.html
18.07 - 25.10.2009
Wildstrubelhütte
Lenk,
http://www.sac-cas.ch/Wildstrubelhuette.1483.0.html