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The Kaleidoscopic Eye: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection: Schöne Aussichten

Das kaleidoskopische Prinzip, wenn man so will, lässt sich auf zwei Arten auslegen. Zunächst als das Aufbrechen, Umdeuten und Neugestalten von beschaubarer Wirklichkeit – eine phänomenologische Verunsicherung gewissermaßen – oder, um einem Wort von Olafur Eliasson zu folgen, als „Spiel mit der Tatsache, dass, was wir sehen, leicht in Unordnung gebracht oder neu zusammengesetzt werden kann“. Das ist umso bedeutsamer, als Eliasson, eines der Aushängeschilder im Bestand der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection, auch in der aktuell in Tokio gezeigten Ausstellung „The Kaleidoscopic Eye“ vertreten ist. Und tatsächlich will diese von der Stiftung mit Sitz in Wien in Kooperation mit dem Mori Art Museum ausgerichtete Schau das titelgebende „kaleidoskopische Auge“ durchaus im Sinne der von Eliasson explizierten Option verstanden wissen. Immerhin zitieren beide Kuratorinnen, Daniela Zyman (T-B A21) und Araki Natsumi (Mori), in ihren Katalogtexten den prominenten Isländer. Darüber hinaus allerdings könnte man die kaleidoskopische Ansage im eigentlichen Wortsinn als „Schönseherei“ verstehen: Dies täte in Anbetracht der gegenwärtig etwas raueren Umstände zugleich eine Pforte zu tröstlicher Realitätsflucht auf. Von behübschender Salonkunst wird gleichwohl nicht die Rede sein, schließlich steht der T-B A21-Fundus für progressive Zeitgenossenschaft und – gerne – opulent Raumfüllendes. Wie etwa Klaus Webers für den öffentlichen Raum konzipierte „Public LSD Fountain“, in der bewusstseinserweiternde Drogen in homöopathischer Dosis plätschern (nebst Echtheitszertifikat von der Japanese Homeopathic Society). Unbedingt sehenswert auch die subtil ins Merkwürdige spielenden Fotocollagen von der sehr jungen Künstlerin Haris Epaminonda. Zahlreiche der anderen ausgestellten Arbeiten sind bestens bekannt, große Namen wie Janet Cardiff, Hans Schabus, Matthew Ritchie oder Sarah Lucas nicht selten mit von der Stiftungspartie. Doch tut man angesichts eines neu zu erschließenden Publikums und der Qualität dieser Arbeiten wohl gut daran, auf Bewährtes zu setzen. Als nahezu roter Faden – und unerlässlich für jede „schönseherische“ Apparatur – ziehen sich Spiegel, Lichteffekte und metallisch glänzende Oberflächen durch den Ausstellungsparcours, so in Exponaten von Tracey Emin, Cerith Wyn Evans, Carsten Höller, Jim Lambie, Jeppe Hein, John M. Armleder oder eben Olafur Eliasson. Miteinander ergeben sie ein grell funkelndes Sammelsurium aus Goldlaminat, Glaslustern, Diskokugeln, Lichtsäulen und Spiegelwänden. In Letzteren, weiß man stimmigerweise seit Jacques Lacan, liegt die Unzugänglichkeit des Wirklichen für einen in der symbolischen Ordnung gefangenen und fragmentierten Menschen begründet, der seine Existenz mit imaginären Kittversuchen zubringt. Was eine Rückschleife zum eingangs erwähnten Gedanken von Olafur Eliasson erlaubt. Und sich obendrein gut in eine Ausstellung fügt, die im obersten Stock eines himmelwärts strebenden Turms mit Panoramablick über eine der wichtigsten Metropolen des krisengeschüttelten Globus ein wenig Evasion von der allzu bitteren Wirklichkeit bietet.
Mehr Texte von Daniel Kalt

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The Kaleidoscopic Eye: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection
04.04 - 05.07.2009

Mori Art Museum
Tokyo, Roppongi Hills Mori Tower (53f), 6-10-1 Roppongi Minato-Ku
Email: info@mori.art.museum
http://www.mori.art.museum/
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-22, Di 10-17 h


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