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Bangkok - eine südostasiatische Kunstmetropole?

Zwölf Meter über der Erde schweift der Blick ungehindert über ein Labyrinth aus Büropalästen, Hoteltürmen, Einkaufszentren, Apartmentkomplexen und Stadtautobahnen. Dazwischen immer wieder grüne Oasen, farbenfroh bepflanzte Terrassen und Dachgärten. So spektakulär präsentiert sich die thailändische Hauptstadt nur, wenn man sie durch die großen Fenster eines klimatisierten und schalldicht isolierten Waggons des Sky Train betrachtet. Die Bangkoker Hochbahn ist für die Sechsmillionenstadt seit 1999 im Einsatz. Täglich transportiert der Sky Train mittlerweile über 250.000 Fahrgäste, die es leid sind, mehrstündige Torturen in den verstopften Straßen auf sich zu nehmen. Seit September letzten Jahres ist an der Haltestelle „National Stadium“ das „Art and Culture Centre“ eröffnet worden. Bangkoks erstes internationales Zentrum für zeitgenössische Kunst. Mit seiner Lage, direkt gegenüber zwei riesigen Einkaufszentren, liegt es inmitten des Knotenpunktes der beiden Bangkoker Skytrain-Linien, und verdeutlicht sichtbar den Anspruch des Kunstbetriebs, Anschluss an die Moderne gefunden zu haben. Entworfen wurde der an das New Yorker Guggenheim Museum Frank Lloyd Wrights erinnernde und organisch wirkend weiße Koloss vom Büro Robert G. Boughey (RGB Architects) aus Bangkok, welches auch für den Bau zahlreicher Hochhäuser in der City verantwortlich ist. Dieses große Projekt ist seit über fünfzehn Jahren vor allem von Künstlern energisch verfolgt worden. Die zuerst vom damaligen Gouverneur Bichit Rattakul begonnene Initiative wurde direkt nach der Planung im Jahre 2000 wegen Finanzierungsproblemen sowie angeblicher Korruption wieder fallen gelassen. Erst 2005 ließ der Nachfolger Rattakuls, Apirak Kosayodhin die Arbeit an dem Gebäude wieder aufnehmen. Die langwierige Prozedur des Bauvorhabens ist Zeichen dafür, wie wenig Aufmerksamkeit die thailändische Regierung der Förderung zeitgenössischer Kunst schenkt. Nun steht es aber allen Widerständen zum Trotz endlich da. Um zu erreichen, dass shopping-orientierte Thais auch zu „Kulturkonsumenten“ werden, hat man es gezielt so zentral wie möglich gebaut. Für viele zeitgenössische Künstler, die seit Jahren auf einen großen Präsentationsort ihrer Werke warten, ist es weniger der Konsumgedanke der eine Rolle spielt. Für sie ist es eine große Hoffung, dass sich nun endlich etwas bewegt. Der Künstler und Aktivist Chumpon Apisuk verlegte sein 1998 gegründetes Internationales Performance Festival ASIATOPIA sofort an das „Arts and Culture Centre“. Apisuk zählt nicht nur zu den bedeutenden Vertretern zeitgenössischer Kunst in Thailand, er fördert auch seit den achtziger Jahren mit einem breiten Netzwerk von jungen Künstlern die Performanceszene im Land. Ein Zentrum für zeitgenössische Kunst ist gut, aber genauso wichtig ist, wer die Leitung innehat. Dies ist bis dato noch nicht entschieden. Vor allem an dieser Personalie wird sich zeigen, ob Thailand zukünftig auf dem internationalen Kunstparkett mitmischt und ob durch das Zentrum die Chance in Bangkok genutzt wird, sich zu einem wichtigen Ort zeitgenössischer Kunst in Südostasien zu entwickeln. Denn die Kunstszene in Thailand hat sich seit den neunziger Jahren stetig weiterentwickelt und wartet mit einigen neuen interessanten Positionen auf. Auch wenn man in Bangkok keinen zweiten „Dashanzi Art District“ wie in Beijing findet und auch keine Kunstmesse wie die „Art Singapore“ ein internationales Publikum anzieht, könnte mit einem Zentrum für Kunst und Kultur ein Fundament für globale Vernetzung und mehr Interesse auch von westlichen Besuchern geschaffen werden. Auch jenseits des „Arts and Culture Centre“, der den Einheimischen Künstlern mehr Präsentionsmöglichkeiten bieten soll als kleine private Galerien, sind diese White Cubes, die über die ganze Stadt verteilt sind, unbedingt sehenswert. Bei einem Besuch muss man sich allerdings auf recht abenteuerliche Wege einlassen, denn hinter so mancher Markthalle oder Fassade mit Wellblechdach versteckt sich ein vielfältiges wie aktuelles Repertoire. Einer dieser Orte ist die Gallery VER. Erreichbar sind Galerieräume am besten per Wasserbus auf dem Chao Phraya. Um zur Galerie zu gelangen, sollte man zunächst an der Haltestelle Phra Athit in einem der Fähren auf die Westseite übersetzen. Beim Ausstieg kommen einem die typischen Gerüche aus den Garküchen entgegen. Wenn man sich an den Essenständen und dem breiten Angebot von Billigartikeln der Straßenhändler vorbeidrängelt, stößt man bald auf das Hinweisschild der Galerie, das in den zweiten Stock leitet. „Ver“ bedeutet auf Thai „aktiv sein“ was die Galerie mit zahlreichen Kontakten ins Ausland (Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist und Künstler wie Achim Kubinski oder Tobias Rehberger) und einer eigenen regelmäßigen Publikation beweist. Hier werden vor allem bekannte thailändische junge Künstler wie Pattara Chanruchachai Pratchaya Phinthong, Disorn Duongdow, Arin Rungjang, Nadia Yosmayan und Patiroop Chychookiat ausgestellt. Die Galerie ist eng mit dem Namen Rirkrit Tiravanija verbunden. Der international agierende Performance- und Aktionskünstler, bekannt durch seine "mobile homes", in denen er thailändische Mahlzeiten zubereitet und in internationalen Galerien und Museen dem Kunstpublikum serviert, gründete diesen Showroom für kritische Kunst. Seine Persönlichkeit sowie die vielen Kontakte ins Ausland machen die Galerie zu einem zentralen Ort kritischer thailändischer Kunst. Wer es weniger alternativ oder progressiv mag, dem sei empfohlen die „100 Tonson Gallery“ in einem etwas etablierterem Bezirk ohne Gedränge und Straßenlärm zu besuchen. Die in einer alten Villa untergebrachte Galerie im Botschaftsviertel von Bangkok handelt mit Fotografie, Installationen und Arbeiten aus den Bereichen Neue Medien und konzeptueller Kunst. Die Galerie ist regelmäßig auf der „Art Singapore“ vertreten und leistet so auch ihren Beitrag, lokale Künstler außerhalb Thailand bekannter zu machen. Einiges ist im Begriff sich in Bangkok zu verändern und das neue „Arts and Culture Centre“ trägt hoffentlich bald dazu bei. Vor mehr als zehn Jahren orientierte sich die Lehre an den Universitäten noch an alten und traditionellen Vorstellungen. In den letzten 10 Jahren hat sich diese Situation deutlich verbessert. Institutionen und Orte der Kunst wachsen stetig. Performancefestivals wie das ASIATOPIA aber auch andere sind zu regelmäßigen Kunstevents etabliert. Bangkok könnte auch auf eine Kunstbiennale zusteuern. Und dennoch: Es herrscht immer noch Mangel an internationalen Netzwerken, einer fundierten Szene von Kunstkritikern und am Austausch mit Künstlern anderer Nationalitäten. Einige junge thailändische Künstler aus Bangkok werden auf der Biennale in Venedig zu sehen sein. Thailand ist hier bereits zum vierten Mal vertreten. Zwar in einem etwas weniger abenteuerlichen Ambiente als einem Marktstand mit nachgemachter Markenbekleidung und gefälschten Rolexuhren, aber mit sicherlich hoher künstlerischer Qualität, sind doch die meisten Thailändischen Teilnehmer Schüler des des Documenta 12-Teilnehmers Sakarin Krue-on.
Mehr Texte von Berenika Partum

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