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Adam Garnek - Praktische Utopie/Utopia praktyczna: Konzept und Funktion

Das „Mensch-Maschine-System“ ist heute in den westlichen Industriegesellschaften so weit fortgeschritten, dass schon der Ausfall eines kleinen Teilssystems zu einer großen Gefahr werden kann. Zum Beispiel, wenn plötzlich der Bordcomputer des Autos ausfällt oder das Navigationssystem absurde Anweisungen gibt: „Fahren Sie in den Kreisverkehr, dann wenden Sie.“ Die Programmierung solcher Geräte ist mittlerweile derart komplex, dass es für Laien unmöglich ist zu durchschauen, warum dieser dem Menschen angeblich so dienliche Mechanismus den Dienst verweigert. Adam Garneks konstruierte Maschinen sind genau durchdacht und dabei nicht kompliziert. Sie lassen sich, im Gegensatz zu den immer komplexeren Technologien, deren elektronisches, mechanisches und logisches Innenleben dem Benutzer verborgen bleibt, gut einsehen. In den Fahrwerken, Motoren und Geräten des Künstlers erkennt man sofort den konstruierten Mechanismus und kann verfolgen, wie die eine Form in die andere greift und etwa eine Bewegung auslöst. Allerdings entziehen sich die Gebrauchsgegenstände und Fahrgestelle, die Garnek erschafft, auf paradoxe Weise jeglichem praktischem Nutzen und sind so konstruiert, dass sie, statt den Alltag zu erleichtern, ihn absichtlich für uns erschweren. Benutzen wir etwa das erfundene Fahrgestell (Mobil) des Künstlers, benötigen wir für eine kurze Entfernung zehn mal länger als zu Fuß. Und mit Hilfe von Garneks „Gerät zum Transport“ aus Beton Gegenstände zu bewegen ist weitaus komplizierter und zeitaufwendiger als sie mit bloßen Händen zu tragen. Auch das Fahrrad, welches Garnek uns anbietet, lässt sich kaum fortbewegen und paralysiert uns allenfalls, statt uns schneller und effizienter zum Ziel zu bringen, denn es ist nicht nur riesig, sondern aus schwerem Metall und nur mit größtem Aufwand zu treten. Adam Garnek erschafft seit über zwanzig Jahren solche Konstruktionen, die in der Tradition der Konzeptkunst in Polen stehen. Seit der „Politik des Absurden“ in den 1970er Jahren haben Künstler wie Krzysztof Wodiczko mit selbstentwickelten Gegenständen für den öffentlichen Raum die Umstände im Land ironisiert, Grenzen der Freiheit aufgezeigt und damit das Groteske sowie die Utopie in einer Welt thematisiert, die im Begriff war, sich politisch aufzulösen. Die „Fahrgestelle“, die Wodiczko im Polen der 1970er Jahre herstellte und nach seiner Ausreise 1977 nach Kanada und dann Nordamerika unter anderem zu „Strassengeräten für Obdachlose" weiterentwickelte, könnten bei Garneks „Mobiles“ Pate gestanden haben. So sieht es jedenfalls der in Polen lebende Konzeptkünstler Jaroslaw Kozlowski, der nun mit einer Retrospektive Adam Garneks in der „Galeria Miejska Arsenal“ in Posen erneut eine Künstlerposition postkonzeptueller Praktiken vorstellt. Jaroslaw Kozlowski, Künstler, Kurator sowie Professor an der Posener Akademie, ist ein Kenner der Szene: Von 1972 bis 1989 betrieb er unter anderem seine eigene private Galerie „Akumulatory 2“ in der er zahlreiche Konzept- und Aktionskünstler aus dem Westen vorstellte. Die Kontakte gipfelten 1977 in einem viertätigen Fluxus-Festival mit Fluxus-Musik. Für den Kunstbetrieb in Polen war dies eine ganz neue und frische Erfahrung. Zwar hat Adam Garnek, damals 13-jährig, an diesem Festival nicht als Künstler teilnehmen können, gleichwohl erkennt man in seinen absurden und humoristischen Erfindungen aus Metall, Blech oder gefundenen Autoreifen den aus der Fluxusbewegung stammenden humorvollen Umgang mit alltäglichen Dingen. Garnek benutzt seine erfundenen Gegenstände mit großer Freude selbst und fordert auch sein Publikum zum Testen auf. Er erlaubt sich mit seinen Erfindungen einen sympathischen Scherz, indem er uns die Freude gönnt, einen reinen Mechanismus zu bewundern und vor Augen führt, dass die einzige Funktion die seine konstruierten Geräte haben, die ist, dass ihnen keine Funktion innewohnt. Die Faszination an Garneks Geräten mag daher rühren, das er unsere Erwartung von Funktionalität enttäuscht und damit spielt. Es bleibt nur das Vergnügen an einem Mechanismus, der uns nach kürzester Zeit davon überzeugt, dass mit ihm kein Ziel zu erreichen ist. Damit entlarvt Garnek mechanistisches Denken und regt auch zur Reflexion über die heutige Technologie an, die immer komplexer wird und von einer technologischen Verbesserung zur nächsten jagt. Die mechanischen Spielzeuge kann man noch bis zum 26.04 in den Räumen der Galerie Arsenal in Posen selbst ausprobieren.
Mehr Texte von Berenika Partum

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Adam Garnek - Praktische Utopie/Utopia praktyczna
04 - 26.04.2009

Galeria Miejska Arsenal
61-772 Poznan, Stary Rynek 3
Tel: +48 61 852 95 01, Fax: +48 61 852 95 02
Email: arsenal@arsenal.art.pl
http://arsenal.art.pl


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