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Attribute nomadischer Ästheten

Eine Dekade Arbeit in Mode und Kunst: __fabrics interseason wird 10 Zur letzten Pariser Männermodewoche bekam der saisonal anreisende Redakteurstross eine Präsentation der besonderen Art vorgeführt. Eine Dekade __fabrics interseason wurde mit einem Défilé begangen, bei dem Stylist Samuel Drira gleichsam als Kurator wirkte und ein retrospektives Panorama aus dem Archiv des Wiener Modelabels unter dem Zeichen des Nomadenhaften inszenierte. Solch unübliches Procedere ist durchaus repräsentativ für die Grenzen auslotende Arbeit von Wally Salner und Johannes Schweiger, die mit ihrem Label für die kritische Auseinandersetzung mit monodisziplinären Konventionen stehen. Seit 1998 erarbeiten die beiden Kollektionen, welche sie oftmals in performativer Zusammenarbeit mit (Elektro-)Musikern oder Künstlern präsentieren, und tauchen parallel mit eigenständigen Arbeiten im musealen Kontext auf. Die Positionierung innerhalb eines Mode-Kunst-Konnex abseits des Partyrummels à la Art Basel Miami, wo Designer und Künstler sich gegenseitig Musenküsse an die Wangen hauchen, ist kein einfaches Unterfangen: "Einige Menschen", ahnt Johannes Schweiger, "haben nach wie vor bei der Rezeption unserer Arbeit Schwierigkeiten damit, nicht in bestimmten Schubladen denken zu können." Die simultane Präsenz in zwei nicht unelitären Kosmen mit genau definierten Spielreglen ist ein besonders ambitioniertes Unterfangen. Doch verhalten sich die zum Teil verzahnten Projekte von __fabrics interseason komplementär zueinander. Eines der Schlüsselthemen ist die Nachhaltigeit einer kreativen Vision. "Wir nutzen den Kunstkontext als Gelegenheit, um diskursiver zu arbeiten und Inhaltlichkeit breiter auszuarbeiten", so Wally Salner. Während so weit als möglich zwischen Mode und Kunst getrennt werden soll ("Ich habe immer ein Problem damit, wenn ein Kleidungsstück per se schon als art piece tituliert wird.", W.S.), handelt es sich doch gleichsam um kommunizierende Gefäße, getrennt von doppelseitig permeablen Membranen. So gelang im Rahmen der 2006 für den Kunstpavillon der Tiroler Künstlerschaft entwickelten Arbeit "surface: tapisserie N°1" die völlige Synthese aus Mode, Historie und Kunst. Stoffreste aus acht Jahren __fabrics interseason wurden zerschnitten und zu Fleckenteppichen, dem zentralen gestalterischen Element vieler künstlerischer Arbeiten von Salner und Schweiger, umgearbeitet. Eine weitere Facette interdisziplinärer Kontinuität ist das Wechselspiel von Werk- und Kollektionstiteln. So war "Döbling Reform" eine Ausstellung im Grazer Kunstverein 2007 und Titel der F/S Kollektion 08. Der Untertitel der Schau, "Panier und Biobourgeoisie" – Panier Wienerisch verstanden als wohlfeil inszenierte Äußerlichkeit –, explizierte zudem unter Bezugnahme auf die Ornament-Begrifflichkeit von Adolf Loos zwei zentrale "atmosphärische" Konzepte. Es geht, in Mode und Kunst, um das Abarbeiten an Oberfläch(lichkeit)en, das Dechiffrieren von Codes und die Bezugnahme auf soziokulturelle Prozesse. Die "Biobourgeosie" stellt also eine Klientele mit spezifischem Lebensgefühl dar, an die __fabrics interseason appelliert. Zum Beispiel mit Spielarten von "Dominant Design": so der Titel der aktuellen S/S Kollektion 2009 und einer auf der Manifesta7 im Vorjahr gezeigten Arbeit. Da wurde im Hof einer stillgelegten Tabakfabrik eine Plattform (Obdach oder Agora) im öffentlichen Raum angebracht, die, vielleicht eine über sich hinausweisende Heterotopie im Foucaultschen Sinne, das Angebot an den kunstaffinen Biobourgeois im __fabrics-Gewande machte, sein nach dem Besonderen strebendes Nomadentum ein wenig auszusetzen. Nicht länger aber wohl, als bis den Rastlosen ein neuer Ruf aus den Gefilden von Kunst oder Mode ereilt: Mit Spannung und den größten Erwartungen ist zehn weiteren Jahren __fabrics interseason entgegen zu sehen. www.fabrics.at
Mehr Texte von Daniel Kalt

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