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René Magritte - La Période Vache: Tamtam für Pariprotz

Mit ihrer aktuellen Magritte-Ausstellung rückt die Frankfurter Schirn wiederum einen bisher kaum beachteten Aspekte im Oeuvre etablierter Meister der klassischen Moderne ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Wer von dem 1948 entstandenen Werkkomplex „La période vache“ eine Art surrealistischen Paulus Potter erwartet, wird jedoch enttäuscht sein – die Kuhdichte geht gegen Null. Vielmehr muss „vache“ hier im Sinne von „gemein“ verstanden werden und charakerisiert den derben, anzüglichen Charakter der rund 30 Ölgemälde und Gouachen. Sie sind inspiriert von populären Bildquellen wie Karikaturen und Comics, zitieren aber auch renommierte Künstlerkollegen wie Henri Matisse und James Ensor und nicht zuletzt Magrittes eigene Arbeiten. Die in einem relativ kurzen Zeitraum entstandene Serie, gemalt in einem für den Belgier neuen, schnellen und aggressiven Stil, war eine Art Abrechnung mit dem Pariser Kunstbetrieb, der Magritte nun – in seinen Augen – viel zu spät die Anerkennung einer Einzelausstellung zollte.. In seinem Katalogvorwort zur Ausstellung in der Galerie du Faubourg schreibt Magrittes Schriftstellerfreund Louis Scutenaire: „Mag nimmt mich also zur Seite […] und gibt mir zu verstehen: ‚Die Sache ist geritzt. Wir fahren nach Pariprotz und zeigen ihnen was Schönes in Kelb, eine schöne kleine Kleberei. Ich werde mich ins Zeug legen, und du wirst Tamtam machen.’“ Die bewusst konzipierte Provokation ging auf, Publikum und Presse waren empört, kein Bild wurde verkauft – worüber Magritte letztendlich doch nicht so wirklich glücklich war und zu seinem früheren Malstil zurückkehrte. Die Bilder der Periode vache gerieten in Vergessenheit, bis sie 1981 im Rahmen der Kölner „Westkunst“ wiederentdeckt wurden. Plötzlich wirkten die Strategien, mit denen Magritte die vorherrschenden Normen in der Malerei unterwandert hatte, hochgradig aktuell. Auch dem heutigen Betrachter werden die Augen aufgehen: Magritte erscheint plötzlich als möglicher Impulsgeber Polkes für karierte Bildhintergründe. Wer hätte das jemals vermutet! Als Provokation wird die recht übersichtliche Ausstellung im aktuellen Kunstbetrieb, der ohnehin schon (fast?) alles gesehen hat, wohl nicht mehr wahrgenommen werden. Die Pinkelpause mit „L’Ètape“, bildwürdig gemacht zu haben, dafür sollte man den Maler jedoch lieben.
Mehr Texte von Lotus Brinkmann

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René Magritte - La Période Vache
30.10.2008 - 04.01.2009

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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