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Gerhard Richter - 4900 Colours: Version II: Kalkulierter Zufall

Indem rollende Würfel die Platzierung und Ausrichtung von 49 beinahe identischen Metallbildern im industriellen Look bestimmen, zieht sich das Prinzip des kalkulierten Zufalls konsequent durch Gerhard Richters komplexe Arbeit 4.900 Colours: Version II. Fehlende Raumtexte oder Werkinformationen ermöglichen dem Betrachter einen direkten und uneingeschränkten Fokus auf die Installation und die Architektur der Serpentine, die zusammen eine metaphysische Verschränkung von Digitalem und Sakralem suggerieren. 4.900 Colours entstand zeitgleich mit Richters letzten August enthülltem Glasfenster an der Südquerhausfassade des Kölner Doms, das sich aus 11.500 mundgeblasenen Antik-Glas-Quadraten in 72 der mittelalterlichen Glasfarbpalette entnommenen Farben konstituiert. Die scheinbar zufällige Anordnung dieser Farben wurde von einem eigens entwickelten Computerprogramm generiert. Methode, Farbrasterung und Farben bilden auch die Grundlage für 4.900 Colours, bestehend aus 196 Quadrattafeln mit je 25 Farbfeldern, wobei die Version II der 4.900 Colours in der Serpentine Gallery nun je 4 der Quadrattafeln zu 49 Einheiten zusammen legt. Die Charakteristika der Installation – serielle und maschinelle Produktion, industrielles Material, monochrome Farben, präzise geometrische Form und die Auseinandersetzung mit Strategien der Repräsentation – weisen Parallelen zum Minimalismus eines Donald Judds auf. Richters Interesse an Farbrasterung und an industrieller Fertigung geht jedoch bis in die 1960er zurück (10 große Farbtafeln, 1966), als er Größe und Reihung der Farbkästchen, sowie die Farbe selbst, von handelsüblichen Lackmusterkarten veränderte und den klaren Dualismus von Pop- und Minimal Art brach. Um 4900 Colours konzeptuell zu verorten, sei auch auf die Kompositionsmethode von John Cage verwiesen: das Zufallsprinzip abzielend auf die Desubjektivierung des Kompositionsaktes. Dieses auch von Richter ergänzend zum Farbauswahl- und Produktionsprozess angewandte Prinzip des aleatorischen Zufalls (Würfel, Computerprogramm) versucht das Subjektive in der Malerei, beinahe vollständig zu eliminieren. Benjamin H. D. Buchloh unterstreicht diese diagrammatische Unterordnung der einzelnen Werkaspekte und spricht von einem quantitativem Regime der Abstraktion durch Methoden von Datensammlung und Registratur. Diese Abstraktionsstrategie steht in der Tradition des in Richters Arbeiten oftmals mittels Medien programmatisch kalkulierten Zufalls. Die Einbeziehung des digitalen Mediums und industrieller Fertigungsprozesse wie auch das Stellen von Fragen an Abstraktion und malerischer Tradition sind eine konsequente Weiterführung seines künstlerischen Programms. Richter selbst zu dieser Arbeit: ‚Das Konzept ist Chance, die Möglichkeit Bilder zu produzieren die ich nicht gemacht habe.’ Ja, 4900 Colours: Version II ist weit mehr als eine Fußnote zum Kölner Domfenster.
Mehr Texte von Margit Neuhold

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Gerhard Richter - 4900 Colours: Version II
23.09 - 16.11.2008

Serpentine Gallery
W2 3XA London, Kensington Gardens
Tel: ++44-20 7402 6075, Fax: ++44-20 7402 4103
Email: information@serpentinegallery.org
http://www.serpentinegallery.org
Öffnungszeiten: 10-18 h


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