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Carte Blanche IV: Mark Lombardi, Julius Popp: Bereichernde Kombination

Die Finanzkrise dominierte in den Medien in der letzten Zeit wie kein anderes Thema. Daher ist die Krise auch präsent in den Worten, die der Wasserfall von Julius Popp (bit.fall) in der GfZK in die Luft schreibt. Flüchtig, nur für Bruchteile zu erkennen, fallen Wörter aus Wassertropfen aus einer Apparatur an der Decke zu Boden: Lehmann Brothers, Börse, Euro, 500, Angela, Maastricht... Generiert werden sie von einem statistischen Algorithmus, der aus den Nachrichtenströmen des Internets „inhaltlich relevante Begriffe“ filtert. Der Wasserfall ist Popps Metapher der Geschwindigkeit und Flüchtigkeit des global vernetzten Informationsflusses und macht diesen sinnlich erfahrbar. Die Ausstellung aus der Reihe ‚Carte Blanche’ der GfZK, die sich privatem Engagement in der Kunst widmet, wurde von Jochen Hempel, Leipziger Galerist der Dogenhaus Galerie, kuratiert und – wie in der Reihe üblich – auch finanziert. Die Arbeiten von Julius Popp (geb. 1973), der von der Dogenhaus Galerie vertreten wird, sind zwischen Technologie, Wissenschaft und Kunst angesiedelt. Neben seinen „Untersuchungen“ zum Wertewandel und kulturellen Veränderungen in der „bit“ Serie beschäftigt sich Popp mit der Analyse der Entstehung von Bewusstsein und untersucht Anpassungsprozesse zwischen Individuum und Gruppe („micro“-Serie). Vor allem die Arbeiten Popps, die über das Experiment hinaus eine zweite, visuelle Ebene der Darstellung seiner Idee gefunden haben, überzeugen. Hier ist beispielsweise die Arbeit bit.flow zu nennen, ein Kabelsalat durchflossen von Kombinationen roter Teilchen als Träger codierter Information, ebenso wie die Kugelroboter micro.sphere, die mit den Besuchern in Interaktion treten. Den Maschinen und Robotern hingegen, die im Ausstellungsraum nicht aktiv sind, fehlt die sinnliche Komponente (z. B. micro.adam und micro.eva, mirco.sphere). Eine Ahnung von dem Zweck und der Funktionsweise der Objekte bekommt der Besucher nur über Erläuterungstexte vermittelt, wobei viele Fragen offen bleiben. Als reine Skulptur faszinieren die Konstruktionen jedoch nicht. Popp gegenübergestellt hat der kuratierende Galerist die großformatigen Zeichnungen des US-Amerikaners Mark Lombardi (1951-2000). Lombardis Interesse galt Bank- und Firmenskandalen, Geldwäsche und Korruption und den dahinter stehenden politisch-ökonomischen Machtstrukturen. Die globalen Verflechtungen von Institutionen und international bedeutenden Politikern stellte er detailliert in an Diagramme und Schaubilder erinnernden Netzwerken von Linien und Anmerkungen dar. Die „narrativen Strukturen“, wie er selbst seine Zeichnungen nannte, wirken einerseits sehr formal, haben andererseits aber auch eine stark ästhetische, gar lyrische Komponente. Die Gemeinsamkeiten der an sich sehr unterschiedlichen Arbeiten Popps und Lombardis liegen in ihren Inhalten. Beide widmen sich der Untersuchung und Darstellung von sozialen Strukturen und den Bedingungen der Systeme, deren Teil wir sind. Besonders gelungen ist die Präsentation von bit.flow vis-à-vis der Zeichnungen Lombardis. In beiden Fällen fügt sich das vermeintliche Informationschaos unerwartet zu einer Ordnung zusammen. Gerade wegen der differierenden ästhetischen Konzepte und künstlerischen Mittel von Popp und Lombardi ist die Kombination der beiden Positionen bemerkenswert und bereichernd.
Mehr Texte von Sandra Beate Reimann

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Carte Blanche IV: Mark Lombardi, Julius Popp
08.11.2008 - 11.01.2009

GfzK - Galerie für zeitgenössische Kunst
04107 Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 11
Tel: ++49-341 - 140 81 0, Fax: ++49-341 - 140 81 11
Email: office@gfzk.de
http://www.gfzk.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 14-19 h / So 12-19h


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