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Revolutions 1968: Vermisst die Revolutionäre!

Es wimmelt momentan nur so von Veranstaltungen die an die 68er Revolution erinnern. So geht man auch in Polen der Frage nach, welche Bedeutung man den Ereignissen jenen Jahres beimessen soll. Die Galerie Zacheta in Warschau versammelt anlässlich des vierzigjährigen Jubiläums über neunzig nationale wie internationale Künstler. Dabei will die Ausstellung alles andere als eine historische Abhandlung sein. So könnte man jedenfalls die beiden Kuratorinnen Hanna Wroblewska und Maria Brewinska verstehen, wenn sie im Pressetext von einem Versuch schreiben, die Ereignisse durch die Augen der Kunst zu betrachten. Der Kunst, das heißt hier vielmehr Theater, Film, Video und vor allem Installation. Kurzum: Es geht um die Frage, welchen Einfluss die weltweiten 68er Revolutionen auf die Kultur hatten. Schauen wir uns das Ergebnis dieses Unternehmens in Warschau genauer an. Was teilen uns die in der Ausstellung befindlichen Werke, über kulturelle Folgen einer zunächst politisch gewollten Revolution mit? Zunächst ist dort der radikalste Vertreter einer gewünschten Reformation der Gesellschaft, der in dieser Schau nicht fehlen darf, Jospeh Beuys. Viele seiner international bekannten Künstlerkollegen wie Vito Acconci, John Baldessari, Marcel Broodthaers, On Kawara, Nam June Paik oder Dennis Oppenheim haben die beiden Kuratorinnern nach Warschau geholt. Wie sahen diese Künstler die rebellischen Aktionen der damaligen Zeit in ihrer Nachbetrachtung? Da ist zum Beispiel die Arbeit von Chris Burden, die sich einer blutigen Seite des Aufbegehrens jener Jahre widmet. Im Jahre 1971 machte der Performancekünstler seine Aktion „Shoot”. Im Film steht Burden vor der Wand, und jemand zielt auf ihn mit einer Pistole, schießt und trifft Burden in die Schulter. Daneben hat man im Ausstellungssaal Bilder und Filme über Terrorismus der Arbeit von Burden entgegen gesetzt. Der Vergleich wird klar. Gewalt löst weitere Gewalt aus. Einer der großen Schwerpunkte der Ausstellung ist der Film. In einem Video von Helke Sander und Harun Farocki: „Brecht die Macht der Manipulateure” wird mit echten Bildern gegen eine Medienmanipulation rebelliert. Der Film aus den Jahren 1967/68 zeigt die Kampagne gegen den Springer Konzern durch die Studentenbewegung. Er unternimmt den Versuch möglichst neutral und ganz ohne Wertung diese Ereignisse zu dokumentieren. Die Ausstellung versucht, die rebellische Stimmung jener Jahre nicht durch eine chronologische Nacherzählung zu erreichen, was bei diesem Umfang auch nicht möglich gewesen wäre. Das Ausstellungsarrangement ist es, welches einem die Stimmung dieser Zeit erlebbar machen will. Ganz unbewusst türmt sich die eine Arbeit auf die andere. Installationen reihen sich in den einzelnen Ausstellungsräumen einander, während verschiedene Klänge aus den Räumen dringen. So war die Zeit: laut, durcheinander – eben rebellisch. Geordnet und verortet wird jetzt, im Nachhinein. Der Ausstellung gelingt es durchaus, die kulturellen Veränderungen hervorzuheben. Politisch wünscht sich heute ohnehin niemand mehr die revolutionären Töne von Marxismus, Maoismus und Trotzkismus zurück, auch wenn manche den Geist, die Stimmung, und den ungeheuren Veränderungswillen jener Jahre heute in Politik und Gesellschaft vermissen.
Mehr Texte von Berenika Partum

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Revolutions 1968
16.09 - 09.11.2008

Zacheta National Gallery of Art
00-916 Warsaw, Pl. Malachowskiego 3
Tel: +48 22 827 58 54
Email: rzecznik@zacheta.art.pl
http://www.zacheta.art.pl
Öffnungszeiten: Di - So 12:00 - 18:00


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