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Das neue Kulturzentrum Matadero in Madrid

Der Madrider Bürgermeister liebt es pharaonisch: da wird eine Autobahn unter einen Fluss gelegt, werden vier Wolkenkratzer vor die Tore der Stadt gesetzt, ein riesiges unterirdisches Informationszentrum für Touristen eingeweiht und ein ehemaliges Schlachthofgelände von 150 000 Quadratmetern zum Kulturzentrum umgewandelt. Matadero Madrid soll sich ganz der aktuellen Kreation widmen und die Kultur-Achse vom Thyssen-Bornemisza-Museum und Prado bis weit in den Süden an den Manzanares-Fluss verlängern. Das einzigartige Ensemble aus zahlreiche Hallen, weitläufigen Höfen, Bürogebäuden und Garagen, in denen der Viehmarkt und der zentrale Schlachthof von Madrid untergebracht waren, hatte der Architekt Luis Bellido zwischen 1910 und 1925 errichtet. Viele Jahre verfielen die Klinkerbauten, seit 1997 steht der Komplex unter Denkmalschutz, seit 2003 hat das Rathaus sich seiner angenommen und den phasenweisen Ausbau geplant. Bis 2011 stehen 111 Millionen Euro zur Verfügung, zu 75 Prozent von der Stadt getragen, den Rest steuern die Messegesellschaft, die Region und das spanische Kulturministerium bei. Heute funktionieren ein modernes Theater, das dem ehrwürdigen Teatro Español angeschlossen ist, das Ballett, ein Saal für wechselnde Kunstausstellungen und das Designcenter sowie mehrere dem Publikum zur kreativen Schöpfung zur Verfügung stehende weitgehend leere Räume mit Tischen, an denen bis zu 50 Personen Platz finden oder einer Tischtennisplatte, die von drei Jugendlichen genutzt wird an einem heißen Nachmittag Anfang September. Einer der großen Höfe ist mit fahrbaren Chill Out-Kojen ausgestattet, in die sich die erschöpften Besucher zurückziehen und das Zusammenspiel der modernen Be- und Entlüftungsröhren, die wie Eingeweide aus den alten Klinkergiebeln herausquellen, betrachten können. Der Eingangsbereich wie auch das Designcenter – im Moment mit einer Ausstellung holländischen Designs – sind in einem gewollt provisorischen Stil gehalten, Material- und Farbreste platzen von der Rohbeton-Decke, Lichtleisten und Belüftungsrohre wurden unverkleidet durch die Räume gelegt. Natürliches Licht wechselt mit matten von Neon gespeisten Zwischenwänden, die tagsüber eine gelungene Illusion von Tageslicht erzeugen. Dazwischen finden sich fensterlose Konferenzsäle und Platz für lichtscheue Videokunst. Den Boden bilden rustikale Gummiflächen mit eingelassenen Schienen, in denen jederzeit Stellwände verankert und verschoben werden können. Noch wirken die ersten 15 000 restaurierten Quadratmeter als wüsste niemand wirklich etwas damit anzufangen und darin könnte sein Reiz liegen. Alles ist riesig, die Dimensionen lassen den Möglichkeiten freien Lauf. Selbst wenn das Lektürezentrum, die Halle für die 200 Kunstwerke umfassende Arco-Sammlung und das Modemuseum einmal fertiggestellt sein werden, soll dieser improvisierte Charakter erhalten bleiben, soll der Raum sich den Gegebenheiten flexibel anpassen können. Eigentlich ein Traum für jeden Künstler, doch gerade davon ist noch nicht viel zu sehen. Die Werkstätten und Wohnräume für Künstler, mit denen der Bürgermeister das „aktuelle Schaffen“ ankurbeln wollte, sind noch Planung und der Verband der Kunstschaffenden spricht von undurchsichtigen Kriterien bei der Vergabe von Hilfen und Stipendien. Dabei wären subventionierte Arbeitsstätten für Künstler im teuren Madrid dringend nötig. Die einzigen, die hier im Moment schaffen, sind die multikulturellen Scharen internationaler Handwerker und Bauarbeiter.
Mehr Texte von Clementine Kügler

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