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Amerikanisches Ringerdrama siegt am Lido

Vier von 21 Wettbewerbsfilmen kamen diesmal aus Amerika. Festivaldirektor Marco Müller begründete die geringe Zahl der Amerikaner am Lido mit dem Autorenstreik. Viele Filme seien nicht rechtzeitig fertig geworden. Doch die vier waren diesmal genug: Der amerikanische Regisseur Darren Aronofsky bekam bei den 65. Filmfestspielen von Venedig für seinen Film „The Wrestler“ den Goldenen Löwen überreicht. Die Meditation des 39-jährigen amerikanischen Filmemachers über Erfolg und Scheitern eines Ringkämpfers war als letzter Filmbeitrag im Wettbewerb gezeigt worden und überholte die bisherigen Favoriten Kathryn Bigelows Irak-Kriegsfilm "Hurt Locker", der japanische Animationsfilm "Ponyo on Cliff by the Sea" von Hayao Miyazaki und Jonathan Demmes Familiendrama "Rachel Getting Married". Hauptdarsteller Mickey Rourke überzeugte in „The Wrestler“ besonders und rieß das Publikum am Lido bei der Preisverleihung zu Jubelstürmen hin. Den Schauspielpreis hat der amerikanische Schauspieler allerdings nicht erhalten. Denn das widerspricht dem Usus in Venedig. Gewinnt schon ein Film eine Coppa Volpi, so wird der Hauptdarsteller nicht geehrt. Dabei stach „The Wrestler“ vor allem durch Mickey Rourke aus einem Meer an mittelmäßigen Filmen in diesem Jahr hervor. Ob es nun Patriotismus oder am Mangel an Alternativen lag – die vier italienischen Wettbewerbsfilme gingen fast leer aus. Lediglich Silvio Orlando bekam eine Coppa Volpi für seine schauspielerische Leistung in Pupi Avatis Film „Il papa di Giovanna“. In dem bizarren Familiendrama stellt sich Orlando vor seine aus Eifersucht mordende Tochter. Als beste Darstellerin galt der Jury die Französin Dominique Blanc. Sie spielt in "L'Autre" von Patrick Mario Bernard und Pierre Trividic eine Frau, die eine von ihr selbst gewählte Trennung nicht verkraftet. Dem deutschen Regisseur Werner Schroeter, der sehr zerbrechlich wirkte, wurde von der Jury ein Spezial-Löwe für sein Gesamtwerk verliehen. Schroeter war mit dem pathetische Bürgerkriegsmelodram „Nuit de Chien“ im Wettbewerb. Der Silberne Löwe für die beste Regie ging an den jungen Russen Alexej German Jr. für "Papiersoldat". Der Filmemacher schildert in seinem dichten Werk mit einer frischen, engagierten Darstellertruppe die letzten Vorbereitungen auf den ersten bemannten Weltraumflug im Jahr 1961. Der stilistisch beeindruckende Streifen erhielt von der Jury außerdem noch die Auszeichnung für die beste Kameraführung. Viel Trubel gab es in diesem Jahr in Venedig nicht, ein Hauch von Müdigkeit lag in der Luft. An einer Verbesserung, zumindest der Schauplätze wird gearbeitet: Am Lido wurde gerade der erste Stein zum neuen Palazzo del Cinema gelegt. 2011 zum 150. Jahrestag der Einigung Italiens, soll er eröffnet werden und den alten Bau aus Mussolini Zeiten vergessen lassen. www.labiennale.org
Mehr Texte von Tiziana Arico

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Ihre Meinung

16 Postings in diesem Forum
Italienisch-Amerikanische Interdependenzen
Marian | 10.09.2008 04:19 | antworten
Sehr spannend zu beobachten, wie sensibel in Venedig das multivariate Verhältnis zu den USA gelebt wird. Danke für den informativen und interessanten Artikel!
interessanter aspekt
Schüller | 10.09.2008 08:49 | antworten
das ist wirklich ein interessanter aspekt. bemerkenswert hierbei erscheint, dass in cannes die aufnahme us-amerikanischer filme nie ganz frei von latenter befangenheit stattfindet. eine rückhaltlose (sich aufgebende?) anerkennung ist hier kaum möglich bzw. mir nicht in erinnerung. das amerikanische kino erscheint in der französischen rezeption fast exotisch. in italien ist man hier vorbehaltloser.
nicht ganz so harmonisch
peter | 10.09.2008 09:03 | antworten
Ich denke eher, dass das italienische Festival-Personal u. Publikum situativ beurteilen. in Frankreich scheint der erwähnte Vorbehalt gegen die USA ja allgegenwärtig, bzw. ist in allen Lebensbereichen spürbar. Dies ist meiner Meinung nach in Italien nicht der Fall. 2007 war auch in Venedig die Stimmung gegenüber den USA etwas unfreundlicher. Sicherlich auch aufgeheizt durch die USA-kritischen Filme im Programm.
Schlußendlich geht es um Filme
fredrick bär | 11.09.2008 12:04 | antworten
Es gibt zum gespannten Verhältnis zwischen Frankreich und USA schon jahrhunderte alte Lektüre. Diese Diskussion wird doch schon unendlich lange geführt. Schon im 19. Jhdt gab es aus Anlass der Veröffentlichung von Reisebeschreibungen französischer Autoren intensive Polemik. Der französische Ansatz in den jungen Jahren der USA war eben das einer Kolonialmacht. Das Überlegenheitsgefühl der Franzosen rührt aus dieser Zeit – speziell in Bezug auf die kulturelle Überlegenheit. Diese „Überlegenheit“ konnte auch in Zeiten militärischer Unterlegenheit und Abhängigkeit sowie wirtschaftlichem Zurückfallen aufrechterhalten werden. Das charakterisiert dann auch das Verhältnis französischer Intelligenz (Cineasten) zu USA und Hollywood. Ein Streifen, der hier Gnade finden soll, muss sich schon sehr vom american way of live wegbewegen und chauvinistischen Gestus völlig vermissen lassen. Dann könnte es Zustimmung geben. Amerikanisches „Autorenkino“ hat diese Positionen natürlich weiter erschüttert, war aber aufgrund der immanenten Gesellschaftskritik auch wiederum Beleg für Ressentiments. Die Italiener haben meiner historischen Betrachtung und contemporären Beobachtung nach dieses (kolonialistische) Überlegenheitsgefühl gegenüber den USA nie gepflegt. Daher wohl auch der undistanzierte Umgang mit dem US-amerikanischen Kino.
viel hinein interpretiert
Marian | 11.09.2008 09:44 | antworten
bei allem verständnis für die diskussion und auch teilweise zustimmung zu den inhalten erscheint mir die spannendere komponente doch das resümee der autorin zu sein. ein hauch von müdigkeit in venedig. dieses stimmungsbild ist hervorragend geeignet, polemiken obsolet sein zu lassen und sich in von den süßen nebelschwaden verträumter phantasie hinwegtragen zu lassen... den das ist kino.
viel hinein interpretiert
Marian | 11.09.2008 09:45 | antworten
bei allem verständnis für die diskussion und auch teilweise zustimmung zu den inhalten erscheint mir die spannendere komponente doch das resümee der autorin zu sein. ein hauch von müdigkeit in venedig. dieses stimmungsbild ist hervorragend geeignet, polemiken obsolet sein zu lassen und sich in von den süßen nebelschwaden verträumter phantasie hinwegtragen zu lassen... den das ist kino.
ja, wirklich schöne bilder
Peter | 11.09.2008 09:50 | antworten
Sie haben recht und das gleich doppelt! (was haben sie denn für einen browser? Chrome?) Mich habe diese Worte auch sehr berührt. Der Hauch von Müdigkeit, eine wunderschöne Metapher die speziell im Fall von Venedig auf geschulte Rezeptoren fällt. Abseits touristischer Hektik ist es nicht Ruhe, die Venedig ausstrahlt, sondern eine gewisse Müdigkeit.
ja richtig.
Marian | 11.09.2008 09:57 | antworten
Hallo Peter! Natürlich hast du Recht. Da drückt man wildentschlossen am Keyboard herum, Back Button, FWD Button und schon hat meine Meinung doppeltes Gewicht. ;-)
Zurück zur Diskussion
Fredrick Bär | 11.09.2008 10:02 | antworten
Liebe Diskussions Kombattanten! Das Thema ist hier doch jetzt nicht die zugegebenermaßen wunderschöne und poetische Formulierung der Autorin, sondern die unterschiedliche Aufnahme des US-amerikanischen Kinos in Europas Cineasten/Intellektuellen- Szene. Spannend wäre doch hier auch die Frage, wie sich die Viennale damit tut. Die österreichische Kultur-Schickeria ist doch schon so anti-amerikanisch, das schon fast der Handke für die USA die Stimme bzw. Feder erheben möchte, oder?
Österreich und der Mainstream
Klaus Schüller | 11.09.2008 11:10 | antworten
Etwas bösartig die Bemerkung zu unserem Nationaldichter Peter Handke! Aber ich mußte schmunzeln. Es ist schon richtig, dass sich die Meinung in Österreich sich dem Mainstream angeschlossen hat, der in Europa in Bezug auf die USA herrscht. Made in USA ist wirklich für nichts mehr ein gutes Verkaufsargument - auch nicht für Filme. Andererseits denkt man nicht wirklich über die Provenienz eines Filmes nach, wenn man ins Kino geht. Hollywood ist in erster Linie kein US Phänomen, sondern findet Ablehnung unter der Bgründung von Kommerz und künstlerischer Armut sowie vielleicht Mutlosigkeit. Unter Cineasten=(?)Intellektuellen ist paradoxerweise hier mehr Polarität und Dogmatik am Werk. Gerade dort müßte doch unterschieden werden, zwischen dem Staat und seiner ungeliebten Regierung und den Werken Einzelner. Man kann doch das Land so wirklich großer Töchter und Söhne nicht aufgrund einer (Doppel-) Präsidentschaft bewerten und auch alle US-Amerikaner in einen Topf werfen. Wie war das denn in Ö.? Wer wollte dort als Nicht-Blau-Wähler mit diesem politischen Lager in einen Topf geworfen werden?
Patriotismus
Marian | 11.09.2008 11:20 | antworten
Wenn man den Artikel genau liest, so fällt auf, dass die Autorin den Begriff Patriotismus schon sachte erwähnt. Ist es vielleicht dem Italienischen Patriotismus eigen, dass er sich nicht so vehement gegen andere wendet, sondern vielmehr von eine Überhöhung gegenüber eigener Vorstellung genährt wird?
Nationale Unterschiede beim Patriotismus???
Klaus Schüller | 12.09.2008 01:14 | antworten
Patriotismus ist nichts anderes als die emotionale Verbundenheit mit der eigenen Nation. Gleich ob dabei kulturelle, ethnische oder historische Aspekte im Mittelpunkt stehen. Im Sport erleben wir vielleicht die leidenschaftlichste Hingabe an das Vaterland. Patriotismus ist in jedem mir bekannten Land vorhanden und leicht evozierbar, eben durch Sportereignisse. Nationalstolz ist doch a priori nichts Schlechtes. Konfliktträchtig wird es erst bei der Überhöhung der eigenen Nation über andere Nationen. Chauvinismus ist die Kehrseite des Patriotismus. Der Vorwurf an Frankreich, besonders chauvinistisch zu sein, wird wohl reflexartige Zustimmung finden. Die Abwertung anderer Nationen zeigt Probleme mit der Definition der eigenen nationalen Identität.
Chauvinismus - Narzissmus
Marian | 12.09.2008 01:32 | antworten
Die Definition der Begriffe Patriotismus und Chauvinismus lassen mich an eine Analogie denken. So wie sich in Staaten „normale“ Vaterlandsliebe quasi neurotisch zu Chauvinismus entwickeln kann, so läßt sich auch bei Individuen die Abstufung Selbstsicherheit - Narzissmus und Maligner Narzissmus ableiten. Den Beweis einer analogen Begründbarkeit dieser Pathologisierung in der Staatenentwicklung erspare ich mir jetzt, erscheint mir aber intuitiv möglich.
Wann ...
Bernd Bacher | 12.09.2008 06:49 | antworten
...kommen denn die Filme bei uns ins Kino? Weiß das jemand? Danke Bernd
Welchen meinst du?
Fredrick Bär | 12.09.2008 06:50 | antworten
Von welchem Film redest du? The Wrestler?
Kinostart The Wrestler
Marian | 12.09.2008 06:57 | antworten
...soll in Europa im Frühjahr 2009 sein. Kann sein, dass der Start nach dem Erfolg in Venedig auch vorverlegt wird. Papiersoldat wird wohl auch erst 2009 anlaufen. Infos findest du auch bei www.filmstarts.de lg Marian

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