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From a revolution to another - Carte Blanche à Jeremy Deller: Die richtige Frage stellen

„Eine gute 'Carte Blanche' hängt vom Künstler ab. Denn dieser zeigt hier was er im Museum sehen will und lässt sich nicht davon leiten, was Museumsdirektoren oder Kuratoren gerne in Ihren Räumen sehen. Es ist ein sehr persönliches Projekt in einem öffentlichen Raum“ so Jeremy Deller in einem Interview über seinen Freifahrtsschein im Palais de Tokyo. Der britische Künstler (im Jahr 2004 mit dem Turner Prize ausgezeichnet) bekam für das Bespielen der unteren Ausstellungsräume des Palais am rechten Ufer der Seine freie Hand. Insgesamt geht es bei der Ausstellung, die den Titel „One Revolution after another“ trägt, um die Einflüsse der industriellen Revolution auf die letzten paar Jahrzehnte der Kulturgeschichte. Aufgeteilt in mehrere Archivgruppen, stellt die Schau Werke aus vier Ländern zusammen: Großbritannien, Frankreich, England und Russland. Die Ausstellungsstücke, die Jeremy Deller aus verschiedenen Archiven für die Ausstellung zusammengetragen hat weichen oft von dem ab, was von institutioneller Seite für gewöhnlich gewürdigt wird. Bewusst sind hier Gruppen und Künstler ausgewählt, die sich am Rande des Mainstream bewegen und sich meist auch nicht unter dem Begriff „hohe“ Kunst einordnen lassen. Deller verfolgt damit ein Ziel: Die gesamte kreative Produktion einer Gesellschaft soll damit gelobt werden. Popkultur, Volkskunst und das alltägliche kreative Potential des sogenannten „Underground“ rücken für den Zeitraum der Ausstellung in den Vordergrund. Bereits beim Betreten des Haupteingangs wird dieses Thema deutlich. An der Decke hängen unzählige bunte Banner, die in den letzten zwanzig Jahren von Ed Hall produziert wurden. Auf den ersten Blick gleicht die bunte Deckeninszenierung einem Volksfest. Erst beim Durchlesen der Schriftzüge erkennt man das politische und soziale Engagement der letzten zwanzig Jahre in England. Ähnlich funktioniert das „Folk Archive“ das Jeremy Deller mit Alan Kane bereits vor einigen Jahren zusammen getragen hat und welches hier noch einmal gezeigt wird. Es ist eine Sammlung zeitgenössischer Volkskunst. Diese Sammlung zelebriert Großbritanniens kreatives Schaffen und beleuchtet Aktivitäten wie politische Statements, Performances, Objekte, Dichtung die meist von ungeschulten „Outsider“ Künstlern produziert wurden. Das musikalische kreative Potential decken die Ausstellungsbereiche über die Anfänge des französischen Rock, der am Ende der Ausstellung arrangierte Bereich über den proletarischen Hintergrund der britischen Popmusik sowie eine eigene Sektion über Klangexperimente in der Sowjetunion der zwanziger Jahre ab. In allen Bereichen wird der Versuch unternommen mit viel Archivmaterial, Fotografien, Erinnerungsstücken und Videos die Anfänge dieser Zeit dem Betrachter ein Stück näher bringen. Dass diese Themen der Musikgeschichte und Popkultur, die der Allgemeinheit eher unbekannt sind zusammengetragen wurden, ist der frischen Entdeckungsfreude des Kurators und Künstlers Jeremy Deller zu verdanken. Aber können wir mit Jeremy Deller unsere Sicht auf den bereits festgeschriebenen Kanon was hohe Kunst, Volkskunst oder gar Kitsch ist, verändern? Kann der britische Künstler die beiden getrennten Bereiche des „Mainstream“ und des „Underground“ uns mit dieser Ausstellung ein wenig näher rücken? Die Frage ist, ob wir als Betrachter dass überhaupt wollen? Vielleicht ist es ja das Ziel dieser zusammengetragenen Fülle von Objekten, Fotografien und dem vielen Material darüber nachzudenken, welche Rolle überhaupt der Underground (der, wie wir hier sehen können, eine unglaubliche Fülle an kreativem Potential hervorbringt) in unserer Gesellschaft spielt ? Das ist vermutlich eher die Frage, die diese Ausstellungsschau dem Besucher stellen will.
Mehr Texte von Berenika Partum

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From a revolution to another - Carte Blanche à Jeremy Deller
26.09.2008 - 04.01.2009

Palais de Tokyo
75116 Paris, 13 avenue du président Wilson
Tel: +33-1-4723 5401, Fax: +33-1-4720 1531
Email: cotact@palaisdetokyo.com
http://www.palaisdetokyo.com


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