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Cy Twombly - Cycles and Seasons: Monumentales Gekritzel

Die Eckpfeiler der Cy Twombly Retrospektive in der Tate Modern bilden Zyklen und Jahreszeiten aus seinem einst widersprüchlich rezipierten Werk. So publizierte Donald Judd (1964) eine negative Besprechung über Twomblys Soloshow in der Leo Castelli Gallery in New York. Roland Barthes Essays (1983) über Twomblys künstlerisches Schaffen, hingegen gelten als die wohl schönsten, die er je geschrieben hat. Im Kanon der Kunstgeschichte nimmt der nun 80jährige amerikanische Künstler eine Einzelstellung ein. In Italien, fernab vom dominanten amerikanischen Kunstgeschehen des abstraktem Expressionismus, der Pop- und Minimal Art, entwickelte er zeitgleich eine einzigartige Bildsprache der Gesten und Zeichen, angesiedelt zwischen Malerei, Grafik und Schrift. Verschlüsselte Botschaften und fragmentarische Schriftzüge, tief verwurzelt in Mythologie, Poesie und klassischer Literatur, stehen in Verbindung mit dem Vergehen von Zeit. In The Italians (1961) verweisen enigmatische Kritzeleien auf Körperfragmente: Brüste, Phalli, Blut, Spermien, verdeckt von multiplen Farbschichten – weiße Übermalungen, pastose Farbejakulationen und lasierende Rinnspuren. Kryptische Sprachfragmente und Chiffren thematisieren Sprache und ihr inhärentes (Un)vermögen zu artikulieren. In seiner expressionistischen und intuitiven Arbeitsweise lotet Twombly diese sprachlichen Grenzen aus, er überschreitet sie und fügt weitere Referenzen in einem komplexen Netz von Spuren und Fragmenten hinzu. Sein Freund, Roland Barthes nannte diese „Köder einer Bedeutung“, die Twombly seinem Betrachter hinwirft, indem er, wie in den beiden monumentalen Jahreszeitenzyklen (1992–1996), verdichtete Bilder entstehen lässt. In den als Primavera, Estate, Autumno, Inverno bezeichneten Arbeiten transportiert Twombly, gemäß dem Topos, auch die vier Lebenszeiten. Textfragmente von Rainer Maria Rilke und Giorgos Seferis werden in Kombination mit der Bildkomposition zu Lyrik. Den Arbeiten inhärent, ist ihr Entstehungsort – Italien. In Twomblys typischer Formensprache bilden Naturelemente sowie Florales aber auch Boote eine Allegorie auf den Jahreszyklus. Abschließend, das theatralische Finale: drei seiner jüngsten Arbeiten aus der achtteiligen Serie Bacchus, Psilax, Mainomenos (2005) entstanden aus Auseinandersetzung des Künstlers mit Homers Ilias, zeitgleich mit dem Irakkrieg. Die im Titel manifestierte ambivalente Natur des Gottes Bacchus übersetzt er in ein Zinnoberrot, die Farbe von Blut und Wein, und in eine orgiastische Geste von euphorisch aufsteigenden Schleifen und Loops sowie nach unten laufender Farbe in einer für Twombly einzigartigen, flüssigen Malweise. Die monumentale Dimension dieser sanguinen und monochromatischen Arbeiten, durchaus an seine kalligraphische Formensprache der 1970er erinnernd, erzeugt in der choreographierten Installation eine sakrale Atmosphäre. Ohne Frage gebührt dem Spätwerk des 80jährigen Malers Respekt.
Mehr Texte von Margit Neuhold

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Cy Twombly - Cycles and Seasons
19.06 - 14.09.2008

Tate Modern
SE1 9TG London, Bankside
Tel: +44 20 7887 8000
http://www.tate.org.uk/modern/default.htm
Öffnungszeiten: Sunday to Thursday, 10.00-18.00 (galleries open at 10.15); Friday and Saturday, 10.00-22.00 (galleries open at 10.15); Last admission into exhibitions 17.15 (Fri and Sat 21.15);Closed 24, 25, 26 Decem


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