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Facing China: Das Gesicht der Diktatur?

China konfrontieren, sich mit China auseinandersetzen, China ins Gesicht sehen, China ein Gesicht geben. „Facing China“ lässt mehrere Übersetzungsmöglichkeiten zu. Die Doppelausstellung in Innsbruck und Schwaz ist Teil der Tournee der Sammlung des Niederländers Fu Ruide die zuvor in Island war und danach in Norwegen, Finnland und Schweden halt macht. Pünktlich zum Olympia-Jahr bietet sie einen weiteren Blick auf die Weltmacht der Zukunft. China bedeutet wirtschaftliche Stärke, Ausbeutung der Arbeiter, kommunistische Diktatur, Zensur und perfekte Inszenierung. Letzteres zu erleben bei der Eröffnungsfeier von Peking 2008. Tausende Ameisenmenschen vollführen unglaubliche Akte des Gleichklangs und erzeugen Bildeffekte, die jeden Hollywood - Blockbuster blass aussehen lassen. Im Kunstraum Innsbruck blickt man erst einmal neun Individuen ins Gesicht. Es sind die ausgestellten acht Künstler und eine Künstlerin in Porträtfotos von Christoph Fein. Namen, die man alle schon einmal gehört hat, denn sie gehören zu Chinas Kunstelite. Doch nur wenige Minuten später kann man diese Gesichter ebenso wenig mit den dazugehörigen Werken in Beziehung bringen, wie ihre Namen aussprechen. Dabei spielen in den ausgestellten Arbeiten fast ausschließlich Gesichter eine Rolle, meist die der Künstler. Chen Qing Qing, die einzige Frau in der Runde, ist in der Stadtgalerie Schwaz mit einer Weste aus Metalldraht vertreten, in die Portraitfotos ihrer Kindheit eingewoben sind. Von ihr hätte man gerne mehr gesehen, bietet sie doch eine willkommene Abwechslung im Meer der Gemälde. Zhao Nengzhi spielt in weichen Pinselstrichen mit seinem verzerrten Ich. Fang Lijun reist als roter Glatzkopf durch seine Phantasiewelt oder sitzt als zerknautschter, vergoldeter Kopf auf langen Metallstäben. Yue Minjun zeigt sich als stilisierter Typchinese mit einem pervertierten Riesenlachmund. Ja, da kann man echt Angst bekommen – wie vor den dauerlächelnden Hostessen und der ebenso lächelnden Parteispitze in Peking. Nur nicht das Gesicht verlieren! Doch Yang Shaobin tut genau das und zwar im Stil von Francis Bacon. Seine Gesichter sind der schützenden Hautschicht beraubt und von Brutalität gezeichnet. Eine Anklage gegen das Regime? Doch wie fast alle der Künstler arbeitet auch Shaobin nach wie vor in Peking. Wie kann man da kritisch sein? Vielleicht, weil sich die Künstler auf die Darstellung einzelner Gesichter ohne direkten Bezug zum Regime oder aber überhöhte Allegorien konzentrieren. So wie Liu Ye, der westliche Kunstgeschichte immer hart an der Grenze zum Kitsch persifliert. Da fliegen chinesische Engelchen samt Madonna in den Himmel und starren Spielzeug-Matrosen auf ein Mondrian- Gemälde. Die europäische Avantgarde fand einmal in China abstrakte Inspiration, nun kommt die gegenständliche Retourkutsche. In den hervorragend bespielten Ausstellungsorten in Innsbruck und Schwaz bekommt man einen sehr intimen Zugang zur zeitgenössischen Kunst aus China. Die ist technisch gut gemacht und immer mit einem unverwechselbaren Stilelement versehen. Zhang Xiaogang etwa zeigt aufgeblasene Porträts aus Familienalben in Schwarzweiß, die immer eine kleine farbige „Fehlstelle“ aufweisen. Sowas ist heute bei internationalen wie chinesischen Sammlern gefragt. Typisch chinesisch, trotzdem modern, aber nicht offen kritisch. Mit einer Ausnahme: Wei Dong und seine halbnackten Parteimädchen aus der Kulturrevolutionszeit – lasziv und unfolgsam. Vielleicht kein Wunder, dass ausgerechnet Wei Dong in den USA lebt.
Mehr Texte von Julia Wallnöfer

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Facing China
06.09 - 11.10.2008

Kunstraum Innsbruck
6020 Innsbruck, Maria-Theresien Strasse 34
Tel: +43 512 58 4000, Fax: +43 512 58 4000-15
Email: office@kunstraum-innsbruck.at
http://www.kunstraum-innsbruck.at
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 13-18, Do 13-20, Sa 10-15 h
Feiertage geschlossen

Kunstraum Schwaz
6130 Schwaz, Palais Enzenberg, Franz-Josef-Straße 27
Tel: 0043 52 42 73 98 3, Fax: 0043 52 42 66 89 6
Email: office@kunstraum-schwaz.at
http://www.kunstraum-schwaz.at
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 10-15 h


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