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Polaroids: Mapplethorpe: Schnelle Liebe

Als ob man es geahnt hätte. Passend zur Schließung der US-Produktionsstätten für Polaroidfilme im März dieses Jahres feiert das Whitney Museum in einer Ausstellung über Robert Mapplethorpe diese schnell gemachten Bilder. In den Jahren 1970 - 1975 fertigte der noch junge Mapplethorpe ca. 1500 Polaroids, die erst im Jahre 2003 von Sylvia Wolf, der Kuratorin des Whitney Museums, entdeckt wurden. Nun sind sie als Auswahl zu sehen. Zur gesamten Sammlung erschien bereits letztes Jahr ein umfangreicher Katalog im Prestel Verlag. Die Fülle der Sofortbilder überrascht, denn die meisten wurden noch nie publiziert oder ausgestellt. In dem Werk lässt sich bereits eine gewisse Genealogie verfolgen, denn die Themen die später für Mapplethorpe zum Inhalt seines gesamten Oeuvres wurden, finden sich in den frühen Polaroids. So mischen sich elegante bis schockierende Darstellungen sexueller Obsessionen die später so viele Skandale auslösten und über die auch in Fachkreisen soviel diskutiert wurde mit Stillleben, eindringlichen Selbstporträts und Abbildungen von Freunden. Im Gegensatz zu den Inszenierungen im Studio der achtziger Jahre - über die Susan Sonntag einst schrieb: „Wonach er sucht, das ist nicht der wahre Kern der Dinge, sondern deren jeweils kraftvollste Ausprägung“ - lösen hingegen die Miniaturbilder eine besonders sensible Wirkung auf den Betrachter aus. Eine unerwartete Zartheit und Verletzbarkeit geht von einigen Porträts aus, wenn man sich etwa Aufnahmen von Patti Smith und Marianne Faithfull anschaut. Durch die leichte Unschärfe (hauptsächlich verursacht durch das aus den vierziger Jahren stammende Material) wirken die Aufnahmen persönlicher als solche im harten Licht von Studiokameras. Es gibt aber Fotos, die bereits eine gewisse Härte und Unvermittelbarkeit ausstrahlen, die mehr und mehr zur formalen Bildsprache von Mapplethorpe wurde, zu seinem Markenzeichen. Die Polaroids kann man als ein riesiges Skizzenbuch sehen: Körperstudien, bizarre Stillleben, die dem späteren Mapplethorpe dazu dienten, seinen Stil zu entfalten. Zwei nostalgische Aspekte kann man am Schluss in dieser Ausstellung wieder finden. Zum einen sind die Sofortbilder in Anbetracht der Einstellung der Produktion von Polaroidkameras eine Hommage an eine Form der Spontanfotografie, die durch digitale Bilder aus Handy oder Videocam ersetzt wurde. Zum anderen erinnern gerade Mapplethorpes Polaroids an eine unbeschwert gelebte Homosexualität in dem die Angst vor AIDS noch nicht existierte. Mit seinen Polaroids hinterließ Mapplethorpe das einzig authentische Dokument einer nie wiederkehrenden schwulen und gleichsam „unschuldigen“ Zeit, die Darkrooms und Badehäuser für sich entdeckte. Gleichzeitig war er selbst Opfer ihres Untergangs. 1989 verstarb Mapplethorpe mit 42 Jahren an den Folgen einer HIV-Infektion. Das Ende der Sofortbilder durfte der Künstler und Verehrer dieser Form der Fotografie nicht mehr erleben. Wir wissen nicht, wie Mapplethorpe die digitalen Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, welche intimen und unmittelbaren Eindrücke uns heute begegnen würden. Die digitale Technik hätte ihn aber bestimmt fasziniert, war er doch kein Freund von langwierigen Arbeitsprozessen. Gerade die Schnelligkeit der Produktionsprozesse überzeugte den Fotografen, wie er auch selbst sagte: “Wenn ich etwas machen müsste was zwei Wochen braucht, würde ich meinen Enthusiasmus verlieren. Es würde eine Art Laborarbeit sein, und die Liebe zu dem ganzen würde verschwinden".
Mehr Texte von Berenika Partum

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Polaroids: Mapplethorpe
03.03 - 07.09.2008

Whitney Museum of American Art
10001 New York, 945 Madison Avenue
http://www.whitney.org


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