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Performance als die politischste aller Kunstformen

„Performance ist eine Kunstform des postkolonialen Zeitalters“ und „die politischste aller Kunstformen“ konstatiert der Tanz- und Performancetheoretiker André Lepecki, der als neuer Kurator von IN TRANSIT zusammen mit der Dramaturgin Silke Bake für das Berliner Haus der Kulturen der Welt ein neues Format für das etablierte Festival entwickelte. Unter der neuen Leitung präsentierte IN TRANSIT 08 ein inspirierendes internationales Crossover gegenwärtiger Spielarten des Performativen zwischen Body Art und zeitgenössischem Tanz aus Lectures, Live-Performances und Installationen mit künstlerischen wie theoretischen Beiträgen von Joan Jonas, Hooman Sharifi, Vera Mantero, Lola Arias, Tania Bruguera, He Chengyao, Gustavo Ciríaco, Lygia Clark, Lilibeth Cuenca Rasmussen, Ismail Fayed, Erika Fischer-Lichte, Goat Island, Shawn Greenlee, Nora Heilmann, LaS Company, Thomas Lehmen, Marcela Levi, Erin Manning, Brian Massumi, cie. salia nï seydou, Raeda Sa’adeh und xurban_collective. Ähnlich wie Lepeckis an Gilles Deleuze angelehnte Forderung nach einer „multiplen Gegenwart“ in Tanz und Performance, offerierte das sorgfältig kuratierte Festival in all seinen heterogenen Facetten eine ebenso multiple Leseart, ohne dabei hinsichtlich des Veranstalters Haus der Kulturen der Welt die Diskurse kultureller Identitäten überzustrapazieren. „Singularities“ versteht Lepecki demzufolge weniger als Phänomenologie kultureller Differenzen, denn als ein Aufweichen homogener Entitäten im Sinne pluriformer künstlerischer Disziplinen jenseits unantastbarer Kunstsparten. Inter- oder transdisziplinär lautet also das bewährte Zauberwort, das hier jedoch als eine Dynamisierung von Gegenwart zu lesen ist, indem Lepecki die Diskussion von Hybridität ein wenig umschifft und stattdessen die ausschließlich selbstreferentielle „kreative Kraft“ von Kunst anbietet. Kraftvoll wie energiegeladen zeigte sich auch die Performance der philippinisch-dänischen Künstlerin Lilibeth Cuenca Rasmussen, wenn sie in „Artists’s Song“ überspitzt singt: „I want to take part in art history, too. But you can only do, what you feel is right for you.“ Im Rahmen ihrer Performance auf der Terrasse des Haus der Kulturen der Welt eignet sie sich in einem mehrstündigen Re-Enactment Auftritte zahlreicher Ikonen der Performancegeschichte an und lässt diese sich humorvoll verselbständigen. Darunter auch Yves Kleins berühmte „Anthropometries of the Blue Period“ aus dem Jahr 1960. Die „Originalaufnahmen“ zeigen Yves Klein, wie er elegant gekleidet Abstand hält und den hüllenlosen Frauen Anweisungen erteilt, gegenseitig ihre farbgetränkten Körper über die Leinwand zu schleifen. 48 Jahre später bestreicht Lilibeth Cuenca Rasmussen im weißen Schutzkittel während des Re-Enactments ihre zwei männlichen Nacktmodelle genüsslich selbst mit Farbe und zurrt diese anschließend höchstpersönlich über den Boden. Die vermeintliche Leinwand konstituiert sich bei der Künstlerin zudem als ironischer Anti-Fetisch: Die AssistentInnen rollen am Ende das von den nackten Männerkörpern bemalte Papier flugs vom Podest und stecken es kurzerhand in den nächsten bereitstehenden Müllsack. Haus der Kulturen der Welt, Berlin IN TRANSIT 2008. Singularities ?Einmaligkeiten (11. – 21. Juni 2008) www.hkw.de
Mehr Texte von Claudia Marion Stemberger

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