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Jan Fabre: Renaissance revisited

In Thomas Bernhards “Alte Meister” sucht der Protagonist die Chef d’Œuvres im Kunsthistorischen Museum nach Fehlern ab und solange er Unregelmäßigkeiten ausmachen kann, bleiben ihm die alten Schinken lebendig und lieb, so dass er täglich wiederkehrt. Auf so viel Muße will sich der Louvre nicht verlassen und startete vor einiger Zeit die Programmschiene „Contrepoint“, in der zeitgenössische KünstlerInnen ihre Arbeiten in Dialog zur Sammlung setzen. Neue Blicke, Interpretationen, subjektive Sichtweisen auf die alten Meister sind erwünscht. So ausgedehnt und unmittelbar wie der Flame Jan Fabre hat bisher aber noch keiner interveniert: bis 7. Juli ist seine Retrospektive im Richelieu-Flügel, im Kreise der Meisterwerke seiner Vorfahren, der Écoles du Nord, von Bosch bis Rembrandt zu sehen. 1958 in Antwerpen geboren, wo Fabre bis heute lebt und arbeitet, begann er in den späten 70er Jahren mit Performances, wurde einer breiteren Öffentlichkeit in den 80ern durch Kugelschreiber-Zeichnungen bekannt, nahm an der Dokumenta 9 und an allen wichtigen Biennalen teil, gründete die Theatertruppe Troubleyn, mit der er seit 1986 auf den großen Bühnen Europas präsent ist (letzten Sommer auch bei den Salzburger Festspielen), leitete 2005 das Festival in Avignon, zeichnet, choreographiert, macht Videos und Performances. Der Disziplinen reich an der Zahl kommt er dem Klischee des Renaissance-Künstlers schon recht nahe. Es sind große Themen, derer sich Fabre annimmt: Leben und Tod, Opfer und Auferstehung, die Opposition zwischen Mensch und Tier. In Natura wirkt der 50jährige Belgier eigentlich ganz gewitzt, gar nicht so metaphysisch fern von dieser Welt, wie die Arbeiten mitunter suggerieren. Er führt an diesem Dienstag den Pressetrupp durch die 40 Säle, mit Eile, denn am Abend will eine One-Man-Performance bestritten werden. Es ist ein narratives Netz aus Metaphern und Fabelwesen, Skulpturen und Selbstportraits, das Fabre zur Malerei, vom 14. Jahrhundert bis zu den barocken Leibern eines Peter Paul Rubens, entwickelt hat. Allen voran findet sein Fetisch, der Skarabäus-Käfer – für Fabre Symbol der Metamorphose, der Schönheit, Eitelkeit, aber auch der Unnahbarkeit –in vielerlei Form Verwendung; zum Beispiel bei der räumlichen Verdoppelung von Rembrandts „hängendem Ochsen“. Ein goldenes Opferschaf trägt bei Fabre ein karnevaleskes Tütchen und steht auf Knochenstaub. Ersteres als Referenz zu Hieronymus Boschs makabren Szenerien, zweiteres als Verweis auf die Technik der Altniederländer aus Knochen ein Weißpigment zu gewinnen. Im größten Saal der Sammlung, der dem Marie von Medici–Zyklus von Rubens gewidmet ist, räkelt sich der größte Wurm der Welt mit Fabres Konterfei über ein Feld Grabsteine – der Zeitgenosse übt sich in vermeintlich devoter Pose angesichts der Kunst vergangener Jahrhunderte. Jan Fabres Welt ist nicht frei von Pathetik und Kitsch, aber im Kontext der Sammlung macht sein Blick auf die Vergangenheit neugierig und seine Querbezüge Laune, die alten Meister neu zu sehen.
Mehr Texte von Ana Berlin

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Jan Fabre
11.04 - 07.07.2008

Louvre
Paris, Palais-Royal Musée du Louvre
Tel: +33 (0)1 40 20 53 17
http://www.louvre.fr/
Öffnungszeiten: täglich 9-18, Dienstag geschlossen


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