Werbung
,

Bernhard Leitner - Pulsierende Stille: In der Klang-Achterbahn

Ein Holzlöffel schlägt immer wieder auf einen Metalltopf. Der Klang streicht von hinten an den Armen entlang, über den Kopf und runter zu den Beinen. Plötzlich von allen Seiten ein Brummen – blechern vibrierend. Gänsehaut. Wer sich mit den Füßen auf die Bodenmarkierung vor Bernhard Leitners „Ton-Anzug“ von 1975 stellt und die Augen schließt, erlebt ein Klangtheater, das trotz der bescheidenen technischen Mittel der 70-er Jahre Dolby- Surround Qualitäten besitzt. Leblos hängt der Klangoverall jetzt an der Wand des Tiroler Landesmuseums, dabei hat Leitner ihn für lebhafte Performances entworfen. Ein erstaunlich simples, doch effektvolles Gebilde, Stoff mit einem Netz überzogen, besetzt mit vier einfachen Lautsprechern unter Plexiglaskuppeln. Als österreichischer Pionier, geboren 1938 in Feldkirch, reiht sich Bernhard Leitner seit 1968 in die vibrierende Kunstszene in New York ein. Musikübervater John Cage steht Pate für die Erweiterung von Tönen in neue Dimensionen. Leitner, der Architektur studiert hat, macht Töne räumlich. Auf ihnen kann man sogar schaukeln, wie seine „Ton-Schaukel“ von 1975/76 verspricht. „Akustische Reize und Informationen werden (...) mit dem ganzen Körper auf- und wahrgenommen“, schreibt Leitner in seinem Ton-Raum-Manifest 1977 in New York. „Dies ist für das Schaffen von Raum durch Ton von zentraler Bedeutung“. Zeichnungen und Schwarzweißfotos sind künstlerisch wertvolle Nebenprodukte seiner fortlaufenden Erforschung von Klangräumen. Rote Pfeile signalisieren Ton-Bewegungen, mitunter sind es Tunnel aus Schall, durch die der Mensch in Leitners Kunst gleitet. Ob „Ton-Liege“ oder raumgroßer „Ton-Würfel“, der Klang bleibt das unsichtbare Bauelement. Mit der aktuellen Ton-Raum-Skulptur „Serpentinata“ von 2008 erklimmt der Künstler konsequent die nächste Ebene. Nun mit modernster Digitaltontechnik, macht er zusätzlich die Bewegung des Klanges mittels geschwungener Plastikröhren sichtbar. Der Ton wird über viele kleine Lautsprecher an den Röhren entlang geworfen, während sich der Mensch darum herum bewegt. Bitte einsteigen in die Klang-Achterbahn! Mit der Zeit wird allerdings der zunächst angenehme Tonzirkus aus glucksenden, schnalzenden bis rauschenden Lauten unerträglich. „Where’s the exit?“, fragt ein irritierter Tourist. Klang-Kunst ist eben kein Sonntagskonzert.
Mehr Texte von Julia Wallnöfer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Bernhard Leitner - Pulsierende Stille
16.05 - 07.09.2008

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
6020 Innsbruck, Museumstrasse 15
Tel: +43 512 59 489, Fax: +43 512 59 489-88
Email: pr@tiroler-landesmuseum.at
https://www.tiroler-landesmuseen.at
Öffnungszeiten: Di - Sa 10 - 12 & 14 - 17, So 10 - 13h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: