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Tolles Design, mangelhafte Präsentation

Seit längerer Zeit debattierte man in Mailand über die Norwendigkeit eines Designmuseums. Nun ist es Wirklichkeit geworden. Allerdings: Aller Anfang ist schwer. Ideal ist die Location: Das endlich gut restaurierte Triennale-Palast hat sich im Laufe der Zeit zu einem lebendigen Kulturzentrum entwickelt, wo nicht nur abwechslungsreiche Architektur- Design- und Fotoausstellungen stattfinden, sondern auch Symposien, Buchpräsentationen, Seminare und ein Dokumentationszentrum untergebracht ist; wo in der eigenen Buchhandlung die möglicherweise beste Auswahl in town an Büchern über Architektur, Design und bildender Kunst zu finden ist und wo man auch gut und mit Blick über den Sempione-Park essen kann. Notgedrungen weniger zufriedenstellend ist die Auswahl der ersten Präsentation, die bis 2009 zu sehen sein wird: in der Hauptstadt der Kreativität und Produktivität Italiens ist die Fülle an Ideen und Produkten, die die Entwicklung des internationalen Designs maßgeblich beeinflußt haben, schier unendlich, die Räumlichkeiten des neuen Museums im ersten Stock der Triennale aber, wenngleich geräumig, doch begrenzt. Kurator Andrea Branzi hat es also nicht leicht gehabt und die Sicherheit, dass nächstes Jahr andere Exponate zu sehen sein werden, tröstet ein wenig und spornt an, die Stadt wieder zu besuchen, ändert aber nichts an dem durch die Präsentation hervogerufenen Eindruck, dass italienisches Design hauptsächlich aus Stühlen und Sesseln besteht. Diesem natürlich sehr wichtigen Feld wird nämlich der meiste Raum gewidmet und läßt andere, genauso wichtige Branchen im Schatten. Dennoch kann man viele wesentliche Beiträge Italiens bewundern und die selbsbewußt groß geschriebene Inschrift an der Wand des Museums - “Das italienische Design formt, was Markt und Gesellschaft noch nicht kennen aber lieb gewinnen könnten” – fasst zusammen, was die Exponate in ihrer jeweils bahnbrechenden Kraft durchaus bestätigen: Die bunte Weste vom Futuristen Giacomo Balla aus dem Jahr 1924, die ihre enge Verwandschaft zum Modezar Missoni offenbart, die klassische Mokka-Maschine von Bialetti aus dem Jahr 1933 (Design: Renato Bialetti), die legendäre “Vespa” (Corradino d’Ascanio, 1946), die den Aufschwung Italiens nach dem 2. Weltkrieg begleitete, die federleichte, tragbare Olivetti Schreibmaschine “Lettera 22” (1950), die auch Bert Brecht bei seinem Besuch in Mailand im Februar 1956 begeistert hatte, das superbunte, stapelbare Plastikstühlchen K4999, das Marco Zanuso für Kinder entwickelte und Cartell ab 1960 produzierte, das Brionvega Kubusradio “TS 502” von Marco Zanuso und Richard Sapper (1964), den klappbaren, dursichtigen Plastikstuhl “Plia” (Giancarlo Pirretti für Castelli, 1968), die essentielle Lampe “Parentesi” von Achille Castiglioni und Pio Manzù (1970), das “Proust” Fauteuil, das nun auch das Büro der Ministerin Claudia Schmied ziert (Alessandro Mendini, 1976), die Illy Kaffetässchen (Matteo Thun, 1980), die eine wahre Sammlungsleidenschaft ausgelöst haben, das anthropomorphe Bücherregal “Carlton” von Ettore Sottsass (1981 für Memphis). Gänzlich verfehlt ist hingegen die Idee, herkömmliche Beschriftungen durch LED-Monitore zu ersetzen: Die kleinen Schilder geben Auskunft jeweils über mehrere Exponate, allerdings werden die Erläuterungen automatisch nacheinander eingeblendet, was die Leszeiten auf mehrere Minuten erstreckt, eher man über ein bestimmtes Objekt etwas erfährt. DESIGN MUSEUM Palazzo della Triennale Viale Alemagna 6 Milano www.triennale.it
Mehr Texte von Flavia Foradini

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