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Fluxus East - Fluxus-Netzwerke in Zentral- und Osteuropa: Fluxus „went East“

Wir schreiben das Jahr 1962. Der junge Künstler George Maciunas und vier weitere Männer zertrümmern ein Klavier um neue Klangräume zu öffnen und erteilen damit dem klassischen werkgestützten Kunstbegriff eine Absage. So oder ähnlich wurde „Fluxus“ in Europa bekannt und Gründer Maciunas, ein aus Litauen stammender und in New York ausgebildeter Künstler, begann mit weiteren expandierenden Plänen für die radikalste und experimentellste Kunstbewegung des 20. Jahrhunderts. Fluxus sollte hinter dem Eisernen Vorhang aktiv werden, wovon die Ausstellung „Fluxus East“ nun Zeugnis ablegt. Die Schau war bereits in Berlin sowie Krakau zu sehen und macht jetzt bis zum 1. Juni in Budapest Station. Die Kuratorin Petra Stegmann unternimmt damit zum ersten Mal eine Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit und Parallelentwicklung dieses internationalen Netzwerkes. Aus den vielen gesammelten Dokumentationen, Videos, Objekten der Mail Art und einer sorgsam geführten Korrespondenz einiger Künstler erfahren wir, dass Maciunas „Fluxus“ als ein künstlerisches Kollektiv in der Nachfolge der russischen LEF-Gruppe sah, die sich von 1923 bis 1925 um Vladimir Majakowski gebildet hatte. Fast getrieben war er von der Idee „Fluxus“ in ganz Osteuropa zu verbreiten. Legendär ist sein Brief an Nikita Chruschtschow, in dem er Fluxus als revolutionäre Kunstbewegung und besonders geeignet für alle revolutionären Staaten pries und dafür warb, sie dort offiziell einzuführen. Seine Pläne waren groß angelegt doch kaum etwas davon konnte verwirklicht werden. Die Ausstellung spricht jedoch nicht über die gescheiterten Pläne des selbsternannten Fluxusvorsitzenden, denn außer den Skizzen und Dokumentationen um die große Idee, gibt es vor allem Initiativen und Aktionen zu sehen, die durch kleine Schritte viel Wirkung erzielten. Im Jahre 1964 z.B. fuhr Eric Andersen mit seinem Bruder Tony Andersen im Auto mit vielen Fluxus- Materialien im Gepäck erst nach Polen, dann in die CSSR, nach Ungarn und schließlich in die Sowjetunion. Das hinterließ Spuren. Zwar hatte man in Ostmitteleuropa wie im Westen mit dem klassischen Werkbegriff gebrochen und trat in den 60er und 70er Jahren in eine Neue Ära, als Inspiration war Fluxus für viele dennoch eine Bereicherung. Davon zeugen etwa Happenings und Antihappeningaktionen von Milan Knizak in Prag sowie Julius Koller in Bratislava. Der einzige, der tatsächlich ein Fluxuskonzert direkt nach Instruktionen von Maciunas aufführte war wohl der polnische Künstler Jaroslaw Kozlowski. In seiner privaten Galerie "Akkumulatory 2" in Posen machte er Ausstellungen in denen er zahlreiche Konzept- und Aktionskünstler aus dem Westen vorstellte. 1977 fand dort ein viertätiges Fluxus-Festival mit Fluxus-Musik, -Klinik und -Sport statt. Das Heraufbeschwören und Zelebrieren einfacher Handlungen sowie der Humor welcher in vielen Happenings und in den Fluxusstücken verankert ist, hatte offensichtlich einem grauen sozialistischen Alltag etwas entgegenzusetzen. Für Kozlowski jedenfalls war Fluxus eine interessante Selbsterfahrung. Auch der ungarische Künstler Endre Tot scheint Fluxus nah gewesen zu sein. Seine humorvolle Erforschung der Sprache hatte oftmals eine ironisierende Wirkung. Wenn Endre Tot auf Plakaten und Drucksachen deklarierte „Ich freue mich, wenn wir uns freuen“ war dies sicher eine groteske Anspielung auf die politischen Begebenheiten, denn Grund zur Freude gab es im sozialistischen Alltag wenig. Die Ausstellung „Fluxus East“ zeigt vor allem auf, dass in den 60er und 70er Jahren - im Westen wie im Osten - arger Zweifel am klassischen Werkbegriff aufgekommen ist. Das verband Künstler wie Milan Knizak, Eric Andersen, Robert Filliou, Dick Higgins, Tibor Hajas, Julius Koller, Alison Knowles, Ben Patterson Gabor Toth sowie viele andere die in der Ausstellung zu sehen sind. Was wir nun in den meist kleinen Exponaten und Dokumenten sehen, kann man als den Beginn heutiger Konzept- und Performancekunst deuten. Diesen Anfang des neuen Kunstbegriffs besiegelten beide Künstlergruppen im Osten wie im Westen gleichzeitig - jenseits und diesseits des Eisernen Vorhangs.
Mehr Texte von Berenika Partum

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Fluxus East - Fluxus-Netzwerke in Zentral- und Osteuropa
18.04 - 01.06.2008

lumu - Ludwig Museum
1095 Budapest, Komor Marcell u. 1.
Tel: +36 1 555 3444, Fax: +36 1 555 3458
Email: info@ludwigmuseum.hu
http://www.ludwigmuseum.hu
Öffnungszeiten: Di-So 10-20 h


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