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Neuer Trend in Polen: "Häuser für die Kunst"

Über fünfzig Jahre wurden keine neuen Gebäude für Museen geplant. Dieses Jahr im September eröffnet nun ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, fünf weitere Projekte sind in Planung. In Polen gibt es derzeit einen neuen Boom bei Museumsbauten. Die neuen Entwürfe sorgen jedoch für Diskussionen. Gerade in der polnischen Stadt Torun (dem früheren Thorn), Sitz des nationalkonservativen katholischen Senders "Radio Maryja", wird im September dieses Jahres das künftige Zentrum für zeitgenössische Kunst eröffnet. Es ist das erste neugebaute Kunsthaus seit der Nachkriegszeit. 46 Millionen Zloty (ca. 12 Millionen Euro) kostete das gesamte Projekt, welches hauptsächlich mit Mitteln der Europäischen Union realisiert wird. Inmitten der Altstadt wird auf fünf Etagen eine Nutzfläche von 8.200 Quadratmetern entstehen. Außer Ausstellungsräumen, einem Cafe und Kino ist auch ein unterirdischer Parkplatz mit immerhin 89 Plätzen geplant. Der Entwurf, des Architektenteams Edward Lach aus Breslau, ist nun fast fertig gestellt. Ein großer Zylinder aus Glas mit einer aufgesetzten Stahlkonstruktion markiert den Eingang. Die Backsteinziegel sowie der transparente Eingangsbereich aus Glas wirken, trotz moderner Materialien, zunächst nicht besonders innovativ. Auf der Skizze gleicht es mehr einem Handelszentrum und nicht einem Ort für Auseinandersetzung mit Kunst. Jedoch ist hier wenig über den Entwurf gestritten worden. Anders in Warschau: In der Hauptstadt ist ein zeitgenössisches Museum ebenso fest geplant. Eröffnet werden soll es allerdings im Jahre 2013. Im Winter letzten Jahres hatte der für die Ausschreibung eines internationalen Architekturwettbewerbs berufene Programmrat wegen unlösbarer Unstimmigkeiten seine Arbeit niedergelegt und war zurückgetreten. Der Grund: Das Konzept, welches durch Juryentscheid auf den Schweizer Architekten Christian Kerez fiel, fand beim Programmrat keine uneingeschränkte Zustimmung. Man warf dem Entwurf von Kerez Phantasielosigkeit und fehlende Innovation vor. Schmucklos sei der Bau, sagten die Kritiker. Offensichtlich hatten sich viele ein innovativeres Konzept erhofft, welches den riesigen Kulturpalast (ein Geschenk Stalins an die Warschauer) vor dem sich das neue Museumsgebäude befinden soll, architektonisch zurückdrängen würde. Die Stadtverwaltung sah jedoch den Vorschlag des Schweizers weniger kontrovers. Sie stimmte dem Juryentscheid zu. Joanna Mytkowska, die neu gewählte Programmkoordinatorin, will nun bis 2013 die Baupläne durchführen lassen. Ausstellungshallen erleben derzeit in Polen einen Bauboom. In mindestens vier Städten sollen bis zum Jahre 2013 neue Kunsthäuser entstehen. Außer in Torun (ehemals Thorn) ist auch in Lodz die Eröffnung eines neu renovierten und umgestalteten industriellen Arials für das "Kunstmuseum" vorgesehen. Die Eröffnung soll bereits im Mai dieses Jahres sein. In Krakau fiel letztes Jahr die Entscheidung auf zwei italienische Architekten, die einen Bau für ein zeitgenössisches Zentrum realisieren wollen. Bis 2011 soll es auch hier alles fertig gestellt werden. In Lodz hat man sogar, mit leerstehenden ehemaligen Textilfabriken sowie großen industriellen Flächen, auch noch weitere Pläne: Bei dem Bau eines weiteren Kulturzentrums setzt man auf die Realisierung durch den Stararchitekten Frank O Gehry. Dieser hatte ja bereits in Bilbao durch seinen skulpturähnlichen Entwurf des Guggenheim Museums die Stadt zu einer Touristenattraktion werden lassen. Das erhofft man sich auch für die ehemalige Textilindustriestadt Lodz. Um den Meister zu überzeugen, holte man ihn vor kurzem in die Stadt und besichtigte mit ihm ein ehemaliges Elektrizitätswerk. Festgelegt hat Gehry sich jedoch noch nicht. Die Hoffnung, der Star würde eventuell wegen seiner familiären Wurzeln eine gewisse Magie des Ortes verspüren, war offenbar verfrüht. Die Großeltern des international hoch angesehenen Architekten stammen wohl ursprünglich aus Lodz, 1908 sind sie emigriert. Vor allem jedoch wollen die neuen Konzepte für Museen zunächst weg vom alten Klischee verstaubter Exponate und Filzpantoffeln. Dies jedenfalls war Thema der Konferenz "In Richtung eines modernen Museums" welche im März in der Nationalbibliothek in Warschau stattfand. "In Polen" so auf der Konferenz "sollte man das Jahr der Fußball- Europameisterschaft 2012 dazu nutzen, um die Museen so vorzubereiten, dass Besucher dazu eingeladen werden dorthin zu gehen. Und dazu bedarf es unter anderem auch eines modernen Konzepts. Damen die einem hinterherlaufen mit der Bemerkung "nicht anfassen! " oder "Bitte Abstand halten! " seien nicht mehr zeitgemäß." In Museen für moderne Kunst, wie dem CSW (Zentrum für zeitgenössische Kunst) in Warschau oder der Zacheta Galerie sowie dem Kunst Bunker (Bunkier Sztuki) in Krakau hört man solche unangenehmen Bemerkungen des Aufsichtspersonals auch immer weniger. Die historischen Museen brauchen hingegen wesentlich dringender neue Konzepte, so hat man auch hier mit der Aufarbeitung veralteter Museumskonzepte begonnen. Die neuen Bauten historischer Museen wollen auch nicht nur Sammeln und Bewahren wie die Museen im 19. Jahrhundert. Sie wollen Begegnungsstätten sein wie die Häuser in Paris, New York oder London. Das neue Jüdische Museum ist dafür ein Beispiel. Gebaut wird es von zwei Finnen und soll bis zum Jahr 2010 fertig gestellt werden. Mit ihrem unbefangenen Entwurf haben sie dabei so renommierte Architekten wie Daniel Libeskind ausgestochen. Ein neues Licht auf die polnisch- jüdische Geschichte wird man durch den Bau sicher werfen können. Das Museum soll zur Verständigung der deutsch- polnischen Beziehungen beitragen. Angesichts der momentanen Debatte um das Buch von Jan Tomasz Gross "Fear" welches den polnischen Antisemitismus der Nachkriegszeit aufdeckt sorgt es sicher für eine andere Sicht der Dinge. Das Gebäude soll auf den Ruinen des jüdischen Ghettos im Viertel Muranow aufgestellt werden und ist ein internationales Projekt. Die Besucher werden, wie im Theater durch die Kulissen einer untergegangenen Welt gehen, darunter eine Synagoge und ein "Stedtl", eine typisch ostjüdische Siedlung. Dank multimedialer Technik soll man Exponate kennen lernen können, deren Originale in hunderten von Sammlungen rund um die Welt verstreut sind. Die Fragestellungen rund um die neuen Konzepte der zeitgenössischen Museen betreffen jedoch nicht nur das äußere Erscheinungsbild, vielmehr überlegt man auch, was man im Inneren überhaupt zeigen soll. Warschau hat noch keine Sammlung für ihr Museum neuester Kunst. In Thorn hat man bereits ein Budget zugewiesen bekommen um neue Einkäufe zu machen. Einen Picasso, Matisse oder Cezanne kann man sich in Polen nicht leisten, diese Meister haben außerdem schon in anderen Museen ihren Platz gefunden. Man ist darum bemüht auf einen regionalen bzw. mehr östlichen Schwerpunkt zu setzen. Zurecht: Zeitgenössische Sammlungen von Kunst aus Ostmitteleuropa nach 1989 gibt es in Museen so gut wie gar nicht. Als einziges Beispiel könnte das Museum in Ljubljana (Slowenien) genannt werden. Die junge Kunst zu sammeln ist demnach gar nicht so schlecht, zudem polnische Kunst in den letzten Jahren zumindest durch einzelne Künstler wie Wilhelm Sasnal, Artur Zmijewski, Katarzyna Kozyra und einige andere so einen so hohen Marktwert erreicht hat, dass polnische Museen sich diese vielleicht bald nicht mehr leisten können werden. Das Zeitalter, in dem Museumsbesucher in Filzpantoffeln auf Parkettböden hinter einer Dame in grauer Uniform hinterherlaufen ist also endgültig vorbei. Digitale Medien sind gerade in Polen, wo vieles neu strukturiert werden muss, eine neue Herausforderung. Denn auch hierzulande erkennt man schnell dass Museen - neben Archiven, Denkmälern, so genannten authentischen Orten und ähnlichen Einrichtungen und Institutionen - ein Teil des gesamten "Erinnerungsraumes" einer Gesellschaft sind. In ihnen wird die Vergangenheit sinnlich erfahrbar, in die Gegenwart eingebettet. Gleichzeitig gilt es, durch neue Museen auch andere Ideen zu verfolgen. Viele sehen, wie auch anderswo, ein Museum als Aushängeschild der Stadt, auch wenn manchmal das Konzept zunächst befremdlich erscheint, so wie in Krakau. Im Industriebezirk Zablocie soll auf dem Gelände der Emaille-Fabrik von Oskar Schindler das Museum für zeitgenössische Kunst errichtet werden. Während des zweiten Weltkriegs waren in der Fabrik 1200 jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt und vor der Ermordung in den Vernichtungslagern gerettet worden. Dort ein Museum zu bauen empfanden viele zunächst als geschmacklos. Die in einem Wettbewerb ausgewählten Architekten Claudio Nardi und Leonardo Maria Proli sehen dies jedoch anders. Claudio Nardi ist in Lodz geboren und zudem Israeli, den Holocaust hatte seine Familie nicht überlebt. Er sieht in der Verbindung dieser beiden Themen überhaupt keinen Widerspruch: "Die moderne Kunst wurde von Hitler und den Nazis verfolgt. Die Nazis haben sie konfisziert, zerstört, verbrannt, und zwar in einem Ausmaß, dass man sagen kann, ihr Hass, auf Juden, Slawen und Roma war für sie nichts anderes als ihr Hass auf die moderne Kunst." Die Stadtverwaltung ist auch dafür, man schmiedet bereits Pläne für eine neue Sammlung. Ob die neuen Bauten auch wie erhofft zu neuen Wahrzeichen der Städte werden, bleibt offen. Bei einigen Projekten wie z.B. dem Thorner zeitgenössischem Museum ist dies, so scheint es, gar nicht geplant gewesen. Vielleicht wird dafür hier die Sammlung oder das Programm mehr als das Architektonische Konzept überzeugen. Bei anderen Museumsbauten wie jenem in Warschau, wird es sich noch herausstellen ob die erste Kritik tatsächlich berechtigt war.
Mehr Texte von Berenika Partum

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