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Erich Lessing: Distanzhalter

Mit Erich Lessings Fotografien verhält es sich manchmal wie mit, sagen wir, Brueghels „Vogeldieb“: Das scheinbar Wichtige wird zur Nebensache und umgekehrt. So wie der Bauer in der Brueghel-Komposition zentral positioniert ist, der Vogeldieb jedoch erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt, baut Lessing seine Fotos um das Nebensächliche herum. Da sieht man etwa zuerst einmal einen jungen Mann, anscheinend selbstsicher mit zwei Gewehren – und erst im nächsten Moment registriert man dessen Holzbein. Oder ein Soldat steht breitbeinig-verwegen im Bildvordergrund – und dahinter werden Leichen auf einen Lastwagen geschafft. Besagte Fotografien sind beim Ungarnaufstand 1956 entstanden; in der Präsentation des Fotohofs wird ihre Drastik jedoch etwas entschärft, zeigt man doch auch Bilder aus ganz anderen Kontexten: So etwa die weniger spannenden Fotografien vom Opernball 1958, die vor allem belegen, dass Lessing eben doch eher der Spezialist für die Straßenfotografie war; oder aber jene von der Salzburger Sommerakademie: Ein alternder Oskar Kokoschka, dessen Eitelkeit von den anhimmelnden Blicken seiner Studentinnen untermalt und gleichzeitig karikiert wird. Manchmal erfasst Lessing auch rätselhafte Momente, etwa, wenn im Warschau des Jahres 1956 eine Frau vor eingerüsteten Häusern Wäsche aufhängt, unklar, welcher Natur der Ort ist, an dem sie dies tut, unklar auch, wo sie herkommt. Tatsächlich nahe kommt Lessing den von ihm Fotografierten jedoch, so scheint es, nicht immer. Im Falle seiner Fotografien von Herbert von Karajan verwundert dies wenig: Ausgerechnet ihn, dessen Rolle im Nationalsozialismus hinlänglich bekannt ist, fotografierte Lessing, der wegen seiner jüdischen Herkunft aus Wien flüchten musste, dessen Mutter in Auschwitz ermordet wurde – und zwar schon 1957. Diese Arbeiten, derzeit in der neu eröffneten Leica Galerie präsentiert, zeugen Lessings Distanz: Wie Karajan von Balustraden springt, groß gestikuliert und dramatisch sich gebärdet, erzählt mehr über dessen Willen zur Selbstinszenierung denn über ihn selbst.

Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Erich Lessing
07.03 - 19.04.2008

Fotohof (alter Standort)
5020 Salzburg, Erhardplatz 3
Tel: 662 - 849296, Fax: 849296 - 4
Email: fotohof@salzburg.co.at
http://www.fotohof.or.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr 15.00-19.00 Uhr, Sa 10.00-13.00 Uhr

Leica Galerie Salzburg
5020 Salzburg, Mirabellplatz 8
Tel: +43 662 87 52 54, Fax: +43 662 87 52 54
Email: salzburg@leica-galerie.at
http://de.leica-camera.com/culture/galeries/gallery_salzburg/


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