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Sog der Veränderung

Higley ist eine Kleinstadt in Arizona. Viel los ist hier nicht, aber immerhin: Es ist die Heimat des Fotografen Andrew Phelps, der seit 1989 in Salzburg lebt. Jetzt hat der amerikanische Fotograf ein Buch über Higley veröffentlicht, über eine persönliche Spurensuche, die ihn von der Mozart-Stadt zurück nach Arizona führte. „Dokumentarische Fotografie suggeriert immer auch eine Abfolge. Meine Art zu fotografieren hat zwar dokumentarische Elemente, allerdings geht es mir nicht um eine globale Wahrheit, sondern darum, wie ich eine Geschichte erzählen will“, sagt Phelps. Die Art, wie er Geschichten erzählt, sein fotografischer Stil, ist getragen von einem Hang zum Artifiziellen. In Higley wird dieser Hang bestens bedient: Ehemals war Higley ein verträumter Ort, in dem Landwirtschaft betrieben wurde, doch in den vergangenen Jahren hat sich viel verändert: Je größer die nahe Metropole Phoenix wurde, je näher sie an Higley heranrückte, desto mehr geriet der Ort selbst in den Sog der Veränderung. Statt Felder und Farmen dominieren heute stromlinienförmige Einfamilienhäuser mit Swimming Pool. Dorfstraßen wurden zu prächtigen Boulevards, Scheunen mussten Einkaufszentren und austauschbaren Shopping Malls weichen. Das jetzt im Heidelberger Kehrer Verlag erschienene Buch „Higley“ dokumentiert diesen Wandel auch anhand einfühlsamer Porträts und vieler Innenraumaufnahmen – ist mehr als Dokumentation: Es erzählt vom Verlust der Heimat, vom Versuch, sich diese zu bewahren und stellt schließlich die Frage: Wie viel Heimat braucht der Mensch? Wie viel Fremdheit kann er ertragen? Beim Betrachten der Bilder kommt ein Gedanke: Vielleicht ist das Fotografieren selbst ein „Akt der Verheimatung“: Das was ich sehe und fotografiere gehört nur mir allein. Es ist ein bitterer Transformationsprozess, den Phelps hier dokumentiert. Wandel bedeutet in Higley vor allem Zerstörung traditioneller Strukturen, eine Zerstörung, die binnen weniger Jahren, in Windeseile vonstatten ging. Verlust wird greifbar, beim Blättern in diesem Buch. Das, was zurückbleibt, ist Nippes, altes Zeug, alte Kerzen auf einem Kaminsims. Die vielen kleinen bunten Kleinigkeiten, die das Leben bestimmen. Alte Tapeten, eine nostalgische Hot Dog-Bude, an die Wand gepinnte Familienfotos, Erinnerungsstücke und ihre Besitzer – das ist es, was zurückbleibt. Erinnerungs-Riffs im tosenden Meer der Veränderung. Higley wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben. Zumindest nicht so, wie es war. Es verspricht eine neue Traumheimat zu werden. Eher aber: aseptischer Alptraum. Andrew Phelps: Higley. Festeinband. 28,5 x 24,5 cm. 128 Seiten. 81 Farbfotografien. Englisch. Kehrer Verlag. Heidelberg 2007. 40 Euro. (DE) ISBN 978-3-939583-33-2
Mehr Texte von Marc Peschke

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