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Frau-Sein-Können

Die japanische Gesellschaft ist für nicht Eingeweihte ein Buch mit sieben Siegeln, der Ablauf des alltäglichen Lebens so weit entfernt, dass es jeder Vorstellung entbehrt und so unbegreiflich bleibt. Ohne dementsprechendem Hintergrundwissen bleiben auch Werke japanischer KünstlerInnen dem Betrachter unverständlich oder werden auf rein ästhetischer Ebene rezipiert. Miwa Yanagi zählt zur jungen Generation japanischer KünstlerInnen, die sich kritisch mit der Gesellschaft und deren Entwicklung auseinandersetzt. Yanagis besonderes Augenmerk gilt der Position der Frau mit speziellem Augenmerk auf die Frage, welche Rolle die Frau in der Gesellschaft einnimmt. Ihr Debüt hat die Künstlerin, die in Japan als Enfant terrible gilt, mit der Serie Elevator Girls gefeiert. Nüchterne Architektur in die uniforme Frauen wie Puppen drapiert sind, bilden das Sujet dieser Serie. Digitale, computergenerierte Fotografie bildet die technische Basis, die Inszenierung des Gezeigten den Kern der Arbeiten. Wirken die Elevator Girls im Zusammenspiel von Bildinhalt und Computermanipulation eher steril und lassen gleichzeitig ob dieser Gefühlskälte den Betrachter mit einem unangenehmen Gefühl zurück, hat Yanagi mit der 1999 begonnenen Serie My Grandmothers das getroffen, was man ein "eternal theme" nennt. Per Ausschreibung hat sie nach den Zukunftsträumen und -perspektiven junger Frauen gefragt, wie sie sich ihr Leben im Alter vorstellen, wobei "Großmutter" hier als Synonym für "alte Frau" steht. Diese Visionen hat Yanagi in weiterer Folge verbalisiert und visualisiert, wobei sie wiederum eine Mischung aus Porträt und der weiteren Bearbeitung am Computer als Technik angewendet hat. Bei der Auswahl galt Yanagis Interesse den Frauen, die sich mit ihren Ideen über die eigene Zukunft dem gesellschaftlichen Mainstream widersetzen; Frauen, die ihre Jugendlichkeit erhalten, die gegenwärtig am Leben interessiert sind und stets nach vorne blicken. Auf diese Weise hinterfragt sie das klassische Bild der liebenden Großmutter, die für die Familie das Ich und die eigene Gegenwärtigkeit aufgibt. Sie geht auch insofern einen Schritt weiter als sie mit den Elevator Girls einen Ist-Zustand beschreibt, nun aber den Blick nach vorne wagt und so eine mögliche Entwicklung präsentiert. Das Thema der Rolle der Frau bildet hier wie da die Essenz der künstlerischen Arbeit. Die Zusammenschau dieser beiden Serien in einer Publikation - der ersten internationalen der Künstlerin - bietet einerseits den Blick auf die Entwicklung der künstlerischen Arbeit Miwa Yanagis, andererseits ist es höchst interessant den Entwicklungsschritt von der Überhöhung eines Ist-Zustands zu der eines Kann-Sein-Zustands verfolgen zu können. Miwa Yanagi Hrsg. Deutsche Bank Art, Frankfurt/Main, Beiträge von Dominique Gonzalez-Foerster, Hans Ulrich Obrist und der Künstlerin, Text von Peter Herbstreuth, Chizuko Ueno Deutsch/Englisch Hatje Cantz 2004 121 Seiten, Bildteil als 43-seitiges Ausklapp-Leporello 23,00 x 30,20 cm gebunden ISBN 3-7757-1450-2
Mehr Texte von Nora Theiss

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