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Mit einem Tiger schlafen

Porträt einer Künstlerin

„Mit einem Tiger schlafen“ ist der Titel eines der bekanntesten Bilder von Maria Lassnig. Nun heißt so auch Anja Salomonowitz‘ neues Filmporträt der Künstlerin. Als Metapher für ein Leben stellt die Wortfolge Außerordentliches in den Raum: ein Dasein zwischen Ambition, leidenschaftlichem Wagemut und der Gefahr, schrecklich verletzt zu werden. Und so viel sei an dieser schon Stelle verraten: Auch die Filmemacherin scheute das Wagnis nicht.

Salomonowitz folgt der Lebensgeschichte der österreichischen Malerin, die in allen Lebensaltern großartig durch die wunderbare Birgit Minichmayr verkörpert wird, in immer wieder durchbrochener Chronologie und mit unterschiedlichen Mitteln. Der Erzählstil ist karg und setzt zurecht auf die unnachahmliche Präsenz der Hauptdarstellerin. Film und Leben korrelieren in Variationen. „Mit einem Tiger schlafen“ ist ein Spielfilm, durchsetzt mit dokumentarischen Elementen. Gelegentlich wird die Vierte Wand durchbrochen und das Publikum direkt adressiert. Elfie Semotan fotografiert als sie selbst Minichmayr als Lassnig. In der surrealsten Szene tragen Ameisen ein Bild neben der Künstlerin her. Diese kaleidoskopische Herangehensweise lässt ein faszinierendes Filmporträt entstehen. Wichtig sind die Beziehungen Lassnigs zu ihrer Mutter und dem um zehn Jahre jüngeren Partner Arnulf Rainer. Am wichtigsten aber sind die künstlerische Arbeit und die intensiven Selbsterkundungen, bei deren Darstellung Minichmayr mit Lassnig geradezu verschmilzt.

Einfach war es bestimmt nicht für die 1919 im kärntnerischen Kappel am Krappfeld als uneheliches Kind geborene Maria Lassnig. Salomonowitz deutet die bescheidenen, oft schwierigen Verhältnisse unsentimental an: die ersten Lebensjahre bei der Großmutter, die verständnislose Mutter, die das Talent ihrer Tochter gleichwohl förderte. Die Ohrfeige, die sich die erwachsene Lassnig einfängt, weil sie nur einen Mann heiraten will, der ihre Bilder versteht, erzählt Bände über das patriarchal-katholische Frauenbild der Mutter.

Dank ihres Talents fand Lassnig Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste in Wien – mit zum Kunstdiktat der NS-Zeit passenden Arbeiten, wie Salomonowitz nicht verschweigt. Doch auch wenn die Möglichkeiten zur Ausbildung für Künstlerinnen um die Mitte des 20. Jahrhunderts bereits zugänglich waren – an anderen wichtigen Scharnieren des fest in Männerhand befindlichen Kunstbetriebs wie Ausstellungsmöglichkeiten oder dem Kunstmarkt wurden sie nach wie vor ausgebremst, in Österreich genauso wie in Paris und New York, wo die Künstlerin jahrelang lebte. Es zeugt von großem Selbstbewusstsein und immenser Hartnäckigkeit, diesen von Hindernissen übersäten Weg so lange verfolgt zu haben, bis der Erfolg sich spät – vielleicht zu spät – endlich einstellte. Lassnigs Werk, ihre „Body Awareness“, wurde schließlich als das anerkannt, was es ist: ein einzigartiger Beitrag zur Malerei des 20. Jahrhunderts.

Anja Salomonowitz feiert Lassnigs Kompromisslosigkeit und Konsequenz und spart dabei nicht aus, wieviel diese sie selbst gekostet haben. Die Tristesse und das Gefühl des Enttäuschtseins bilden die Grundstimmungen des Films. Zugleich lässt sie das Publikum intensiv am intimen Vorgang der kreativen Arbeit teilhaben, dem eigentlichen, aufregenden Leben der Künstlerin. Das sind schwierige Zutaten für ein gutes Filmporträt. Anja Salomonowitz ist ein solches eindrucksvoll gelungen.

Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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