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Jos De Gruyter & Harald Thys - Pasta Fatal: Gespenstisch

Das belgische Künstlerduo Jos de Gruyter & Harald Thys ist spätestens seit seiner Ausstellung „Das Wundes des Lebens“, 2014 in der Kunsthalle Wien, in Österreich recht bekannt. Letztes Jahr noch überzeugten die beiden Künstler beim steirischen herbst mit ihrer Installation „Die Vier von der Tankstelle“: In einem PKW hatten dort vier bizarre Wesen Platz genommen, furchterregende Mischwesen aus Menschenkörper und dem Kopf eines bissigen Hundes – gleichsam zur Bestie geworden gemahnen die vier daran, dass die beliebte Filmoperette „Die Drei von der Tankstelle“ 1930 im Vorfeld des „Dritten Reiches“ gedreht wurde.

In ihrer aktuellen Einzelausstellung in der Galerie Isabella Bortolozzi feiert ihr Film „Pasta Fatal“, 2024, Premiere. In dem gut 26 Minuten langen Animationsfilm treten seltsame Figurinen auf, die zum Inventar einer Geisterbahn gehören könnten. Diese so irritierenden wie erschreckenden Menschendarstellungen setzen sich nämlich aus mal bizarren, mal fast schon „realistisch“ gestalteten Köpfen zusammen, die auf morbiden Körperbauten sitzen, Hybriden aus Skelett und hölzernem Bausatz für Handwerker. Diese Figurinen nun steigen in „Pasta fatal“ zum Beispiel aus einem virtuellen Schrank und bewegen sich, quasi wiederbelebt, durch einen zuweilen nur recht spärlich möblierten Raum, der mit seiner aseptischen Leere, durchaus an einen white cube erinnert. Die „revitalisierten“ Skelette agieren hier gleichsam als materialisierte Gespenster in einem gewissermaßen luftleeren Raum, in dem Vergangenheit und Gegenwart keine Gegensätze mehr sind. Dazu erklingen elektronisch generierte Töne. Ab und zu sprechen die Figurinen und geben so lakonische wie schräge Statements zu ihrem Leben ab. Als Slapstick-Einlage treten sich die hölzernen Protagonisten dann auch mal gegen die Schienbeine, am Ende des Films jedoch ist ein „Gebet der Buße“ zu hören.

Vollends materialisiert erscheinen diese Gespenster dann an den Wänden der Galerie, dort nämlich hängen sie nebeneinander und stoisch als hölzerne Skulpturen. Der ausliegende Text zur Ausstellung schließlich erklärt ausführlich um wessen Figurinen es sich hier handelt. Eingangs hängt etwa Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, hier mit sechs Gliedmaßen ausgestattet und so an Kafkas Mensch-Käfer Gregor Samsa erinnernd. Der Kopf des wegen seiner Nazi-Vergangenheit überaus umstrittenen Großindustriellen dagegen ist fast naturalistisch gestaltet. In der 10-teiligen Reihe folgt „La Prisonnière de Thionville“, ein Mädchen, das in einem Rudel wilder Hunde aufwuchs und von 1799 bis 1848 eine Attraktion im Zoo der französischen Gemeinde Thionville gewesen ist. Die dreibeinige Figurine ist komplett in hellblau gestrichen, auf dem Kopf des Mädchens sitzt eine braune Perücke. Am Ende der Reihe wartet dann Jacobina Bienebol, die Tochter eines bekannten Priesters in den Niederlanden, die es sich bis zu ihrem Tod 1999 zur Aufgabe gemacht hatte, die „Disziplin in der christlichen Kirche“, die sie auch den Tieren beibringen wollte, zu fördern. Auf ihrem hellgrünen Skelett sitzt ein störrisch-aggressiv dreinschauender Frauenkopf, wohl entsetzt angesichts der unchristlichen Zeiten Ende des 20. Jahrhunderts. Sie ist es auch, die am Schluss des Films „Pasta Fatal“ besagtes Gebet spricht.

Jos de Gruyter & Harald Thys inszenieren mit ihrer Ausstellung ein makaber-komisches Setting, das bruchstückhaft von den Absurditäten und Aberwitzen des Lebens erzählt – ohne diese „Comedié humaine“ je zu kommentieren oder gar zu beurteilen. Life is life, eine Pasta Fatal eben, die irgendwie doch noch schmeckt.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Jos De Gruyter & Harald Thys - Pasta Fatal
20.02 - 30.03.2024

Galerie Isabella Bortolozzi
10785 Berlin, Schöneberger Ufer 61
Tel: +49 30 263 94 98 5, Fax: +49 30 263 96 53 9
Email: info@bortolozzi.com
http://www.bortolozzi.com
Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung


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