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Farbe ohne Risiko

Fröhliche Großformate mit kunterbunten Blumen begrüßen das Publikum der Frieze Art Fair am Stand von Gagosian. Ihr Schöpfer Damien Hirst hat sich vorgenommen, insgesamt 92 davon herzustellen. Das ausgestellte Dutzend soll zu einem kolportierten Preis von knapp einer Million US-Dollar (pro Stück) bereits zur Eröffnung verkauft sein. Wirtschaftlich mag das funktionieren, künstlerisch ist es völlig blutleer. So präsentiert sich auch weitgehend das übrige Angebot der Messe, die bei ihrer Gründung vor 20 Jahren den Kunstmarkt auf den Kopf stellte.

Einzig die kleine Sonderschau ‘Artist-to-Artist’ mit acht Kojen, für die etablierte Künstler:innen junge Kolleg:innen einladen durften, vermag etwas frischen Wind in das vordere Zelt zu bringen. Die gepflegte Langeweile ist auch nicht unbedingt die Schuld der ausstellenden Galerien, schließlich ist eine Messe eine Verkaufsveranstaltung, für die sie viel Geld bezahlen. Es läge am Veranstalter, Anreize zu setzen, damit die Galerien inhaltlich mehr ins Risiko gehen können. Ob das unter der Ägide des Eigentümerkonzerns Endeavor überhaupt gewünscht ist, scheint allerdings fraglich.

Bleibt zu hoffen, dass Hirst nicht wieder einmal die Kassandra des Kunstmarkts ist, wie seinerzeit, als seine legendäre Auktion bei Sotheby's “Beautiful Inside My Head Forever” just mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers koinzidierte, der die Finanzkrise im Jahr 2008 auslöste.

Weniger meisterlich, eher etwas abgestanden wirkt die Frieze Masters. Die ursprünglich vom Konzept vorgesehenen Spitzenwerke der Antike oder Alten Meister sind mittlerweile einem Dinosaurierskelett für 20 Millionen Dollar gewichen, das Besucher:innen direkt am Eingang bei David Aaron (London) begrüßt. Die beliebte kuratierte Sektion trägt in diesem Jahr den wenig revolutionären Titel „Modern Women“. Auf die Art kauft man der Tefaf nicht den Schneid ab.

Der stille Tod der Sunday Art Fair über die Pandemie sagt viel über den Zustand des Kunstmarktstandorts London aus. Die kleine Messe im Keller eines hässlichen Universitätsgebäudes schräg gegenüber von Madame Tussauds war so etwas wie die „Liste“ der Frieze, mit rund 20 Ausstellern jedoch deutlich kleiner als der inoffizielle Kaderschmiede der Art Basel. Eine Nachfolge ist leider nicht in Sicht.

Ein Projekt klingt zumindest spannend. Women in Art Fair heißt die neue Satellitenmesse, die genau das einlöst, was sie im Namen verspricht. Ausschließlich Kunst von Frauen ist in den Mall Galleries zu sehen. Lediglich neun Galerien nehmen an der eigentlichen Messe teil, deren Qualität sehr gemischt ist. Erfrischender ist die kleine kuratierte Ausstellung „Unnatural Women“, unter anderem mit Arbeiten von Paula Rego und Jean Cooke. Zusätzlich gibt es noch eine Ausstellung, deren Beiträge aus einem Open Call ausgewählt wurden. „This place is cursed“, erklärt eine Galeristin auf der Frieze, als sie den Veranstaltungsort der WIAF erfährt. „Wer dort Kunst zeigt, signalisiert, dass er von der Kunstszene keine Ahnung hat.“ Es drängt sich die Frage auf, ob eine ausschließlich Künstlerinnen vorbehaltene Kunstmesse überhaupt sinnvoll sein könnte, an diesem Ort und in dieser Form ist sie im Frieze-Umfeld jedenfalls nicht anschlussfähig.

Etabliert und nach wie vor erfolgreich ist die 1-54 für Kunst mit afrikanischem Hintergrund. Für Sammler:innen, Kurator:innen und Art Advisors ist sie mittlerweile fester Bestandteil ihres Besuchsprogramms. Ein wenig leidet sie allerdings unter ihrem Erfolg, da sie sich in diesem Jahr etwas vergrößert und auf das Untergeschoss von Somerset House ausgedehnt hat, allerdings ohne wesentlichen Gewinn für die Qualität der Messe. Der dadurch freigewordene Ostflügel wird durch die absolute sehenswerte Ausstellung „The Missing Thread“ über schwarze Mode und Kultur in Großbritannien seit den 1970er Jahren bereichert.

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Die Messewebsites
--> www.frieze.com/fairs/frieze-london

--> www.frieze.com/fairs/frieze-masters

--> www.womeninartfair.com

--> www.1-54.com/

Mehr Texte von Stefan Kobel

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