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„... dann muss der Berg zum Propheten kommen!“

Bad Gastein, einst mondäner Kurort der betuchten Gesellschaft der Jahrhundertwende, hat einen langsamen, unaufhaltsam scheinenden Abstieg hinter sich. Die großen Kurhotels sind geschlossen, das Kongresszentrum am berühmten Wasserfall schimmelt vor sich hin. Trotzdem entdeckt eine junge, hippe und kunstaffine Gesellschaft den etwas morbiden Charme des kleinen Ortes in den Alpen. Der Grund dafür ist unter anderem das Engagement von Andrea von Goetz und Schwanenfließ, Hamburger Kunstsammlerin und Organisatorin, die mit der von ihr ins Leben gerufenen Veranstaltung „Sommerfrische Kunst“ die aktuelle Kunstszene in die Berge lockt.

artmagazine.cc: Wie erlebten Sie denn die Situation in Bad Gastein, als die Idee zur Sommerfrische Kunst aufkam?

Andrea von Goetz: Das ist jetzt sieben oder acht Jahre her. In der Gasteiner Tourismuswirtschaft wurden gerade die Weichen gestellt, um das Thema Sommerfrische zu „reaktivieren“. Kunst, Jazz und kulturelle Veranstaltungen sollten die tragenden Säulen werden. Es hat sich aber innerhalb der letzten sechs Jahre die Kunst mit dem Stipendiatenprogramm der Kunstresidenz und den jährlich wachsenden Ausstellungen zum Höhepunkt entwickelt. Das Kraftwerk am Wasserfall, in dem die Künstler ihre Studios haben, war zu diesem Zeitpunkt noch im Dornröschenschlaf, es war jahrelang leergestanden. Nach behutsamen Renovierungsarbeiten erstrahlt das denkmalgeschützte Gebäude in neuem Glanz und alle „kreativen Geister“ haben zur Belebung beigetragen.

Sie haben die Idee zur Sommerfrische Kunst ja nicht als Kunstsammlerin entwickelt, sondern waren mit dem VG & S Art Development schon vorher aktiv. Können Sie einen kurzen Abriss der Geschichte der VG & S geben?

Ich habe drei Jahre lang ein gemeinnütziges Kunstprojekt für Hamburger
Schulen mitaufgebaut, habe dadurch sehr viel Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern gehabt und dort die Nöte der gerade oft jungen Künstlerinnen und Künstler gesehen. Aus diesem Grund habe ich VG & S (Anfangsbuchstaben des Nachnamens) gegründet. Damit wollte ich eine Plattform schaffen, die junge Künstler unterstützt, Ausstellungen realisiert, Firmen zum Thema kulturelles Engagement berät und zuletzt Kunstinteressierten einen Einstieg in den Kunstmarkt ermöglicht und sie zu neuen Sammlern macht.

Wo mussten Sie mehr Überzeugungsarbeit für die Sommerfrische Kunst leisten: In Bad Gastein oder in der Kunstszene?

Die Kunstszene braucht neue Ideen und ist „open minded“, da war noch Platz für die Sommerfrische Kunst, denn die Kombination „Raus aus den Messehallen und der Stadt und rauf auf den Berg“ und trotzdem spannende Positionen an ungewöhnlichen Orten sehen zu können, das ist glaube ich die Mischung, die uns so erfolgreich macht. Das ist ein bisschen das moderne Worpswede.
Dass ich den Ort Bad Gastein bzw. alle Einwohner zu Kunstfans machen möchte, war nie meine Intention, sondern ich habe vor Ort meine Partner, die von Anfang an hinter der Idee standen und es immer noch tun und das ist das Wichtigste. Allen voran der Tourismusverband, der die Sommerfrische Kunst großteils finanziert und das Projekt mit viel Engagement unterstützt. Aber natürlich breitet sich die Kunst allmählich auch im Ort aus und die Sommerfrische Kunst bekommt auch intern mehr Fans und das freut mich.

War es von Anfang an klar, dass die Sommerfrische Kunst als mehrjähriges Projekt funktionieren wird oder war es zu Beginn eher mal ein Versuch?

Es sollte kein einmaliges Feuerwerk sein, sondern ein kleines, feines Projekt das organisch wächst und an Qualität und Aufmerksamkeit gewinnt. Und das ist uns gelungen. Um eine Idee erfolgreich werden zu lassen, braucht man einen langen Atem und Beständigkeit, gerade im peripheren Umfeld auf 1000 Höhenmetern.

Was waren die bisherigen Highlights und was die größten Niederlagen?

Sowohl Highlights als auch Niederlagen sind bei diesem Projekt eher auf persönlicher Ebene zuhause. Am Ende des Tages ist es großteils mein „Baby“ und ich stehe in der Verantwortung bei den Künstlern, beim Tourismusverband, bei Gästen und Sponsoren. Aber wenn ich auf die letzten sechs Jahre und auf ca. 50 teilnehmende Künstlerinnen und Künstler zurückblicke, dann bin ich sehr froh, dass die Idee der Sommerfrische Kunst geboren wurde. Wir sind eine kleine Familie von Visionären mit einer großen Fangemeinde geworden und das ist großartig. Die Ausstellung Höhenrausch im Eigen + Art Lab, Berlin im Februar 2016 mit 500 Besuchern war bestimmt ein Höhepunkt in diesem Jahr.

Rückblickend auf die erste Sommerfrische Kunst: Was hat sich von dieser bis zur aktuellen Ausgabe in diesem Sommer am meisten verändert?

Wir sind Profis geworden. Sowohl im Ausstellungsmanagement als auch im Eventbereich. Das Kunstwochenende hat immer noch einen persönlichen Charakter, der erhalten werden muss, aber durch das Wachstum und die vielen Pressestimmen sind wir nicht mehr in der „Probierphase“ - das heißt, die Ansprüche steigen von allen Seiten. Das ist aber auch gut so, denn dadurch haben wir die Möglichkeit, neben den internationalen Stipendiaten auch „Stars der Szene“ nach Bad Gastein zu bekommen. In diesem Jahr waren z. B. Jeppe Hein und Jorinde Voigt vor Ort. Und hier muss die Balance gehalten werden, denn wir möchten weiterhin ein kleines, feines Satellitenevent bleiben, wo der Kommerz nicht im Fokus steht.

Wie ist die Akzeptanz und die Zusammenarbeit mit der Gasteiner Bevölkerung?

Der Prozentsatz für das Interesse an zeitgenössischer Kunst wird nicht anders sein als in einer Großstadt, aber in Bad Gastein leben nur 5.000 Menschen und aus diesem Grund freuen wir uns um so mehr, dass in diesem Jahr viele Einheimische bei den Eröffnungen waren. Die Diskussion über den Kunstbegriff an sich oder ob das eine oder andere Kunst ist hat in meinen Augen einen wichtigen Stellenwert, denn so findet ein Austausch statt und Vorurteile werden abgebaut.

Sie haben in diesem Jahr den Montblanc-Preis für Mäzenatentum erhalten, eine schöne Bestätigung des bisher Erreichten oder Ansporn es noch weiter zu treiben?

Natürlich freut man sich über einen so ehrenwerten Preis, den Namen wie Francesca Habsburg, Harald Falckenberg und Julia Stoschek erhalten haben. Noch mehr freut es mich, dass wir Montblanc als Unterstützer für die Sommerfrische Kunst gewinnen konnten. Und es motiviert vielleicht den einen oder anderen Kunst- und Kulturmacher weiter zu machen und an seine Idee zu glauben, ohne dass immer ein großer Name dahinter stehen muss.

Wie sehen Sie die Sommerfrische Kunst in Zukunft: Kann und soll sie noch erweitert werden, braucht es neben den Residencies noch mehr Ausstellungen und Workshops und sind dafür überhaupt die Ressourcen vorhanden?

Ich denke, dass wir dieses Jahr ein Level erreicht haben, dessen Niveau zu halten unser Ziel sein sollte. Genau die richtige Mischung aus junger internationaler Kunst, namhaften Positionen und ein Mix aus spannenden Menschen. Unser Programm für das Kunstwochenende, dass seinen Platz am letzten Juliwochenende etabliert hat, ist voll, von Donnerstag bis Sonntag.

Wäre es nicht an der Zeit für eine grundlegende Erneuerung der Sommerfrische Kunst, vielleicht in Kooperation mit Galerien und Institutionen?

Nein, wir haben ja immer wieder kleinere Details geändert und sind mit dem Ist-Zustand fein zufrieden. Der Fokus liegt auf internationalen Künstlern, da ich gemerkt habe, dass die Stipendiaten von dem Austausch auf kultureller und künstlerischer Ebene sehr profitieren. Und es passt auch sehr gut zu Bad Gastein, denn die Sommergäste sind aus vielen unterschiedlichen Ländern.
Außerdem werden wir die Kunstresidenz wieder auf Reisen schicken und mit einer tollen Ausstellung im Frühjahr in Wien die Reihe „ Höhenrausch“ fortsetzen und hoffentlich an den Berliner Erfolg anknüpfen.
Wie war das denn noch gleich... „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen!“

www.sommerfrischekunst.at

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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