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Das Tunnel-Museum, Sarajevo: Wieder nie mehr wieder

In Sarajevo ist der Krieg seit fast acht Jahren aus, doch noch immer sind seine Spuren überall. Viele Häuser sind noch nicht wieder aufgebaut und werden das vielleicht auch nie mehr sein. Mit manchen ihrer überlebenden Bewohner verhält es sich ähnlich. Im Pflaster der Straßen sind einige Flächen rot, sehen aus wie Lachen oder Spritzer, obwohl man sicheren Grundes darüber gehen kann. Es sind Löcher, die der Granatbeschuss hinterlassen hat, ausgegossen mit rotem Gummi da, wo Menschen umgekommen sind. Die Erinnerung an den Krieg hält man auch im Tunnel-Museum wach. Die privaten Betreiber Bajro und Edis Kolar, Vater und Sohn, sind zugleich die Bewohner des Hauses, das während des Krieges der Sichtschutz des äußeren Tunneleingangs war. Beide haben in der bosnischen Armee gekämpft, Edis ein Jahr lang als Mitglied der Militärpolizei über die Sicherheit des mit 4000 täglichen Passagen recht beträchtlichen Tunnelverkehrs gewacht. Der 800 Meter lange Tunnel wurde zwischen Ende März und Ende Juli 1993 zur Versorgung der belagerten Stadt gebaut. Nach dem Krieg wurde er (Broschürentext) "genau wie Bajro und Edis demobilisiert". Der Tunnel war am Verfallen, als die Kolars, arbeitslos wie viele andere, sich entschlossen, einen Teil davon zu bewahren und zahlreiche Gegenstände wie eine Sanitätertrage, Waffen, Uniformen usw. gleich mit. Seit Ende 1996 besteht dort das Museum, das mittlerweile so bekannt ist, dass täglich 10 bis 20 Besucher den weiten Weg hinter den Flugplatz finden. Gedenkstätten sind heikle Orte. Was schützt sie vor plumpem Voyeurismus oder den falschen Ideologien? Das Tunnel-Museum bezieht einen Großteil seiner Legitimation aus der Authentizität, mit der Menschen, die eben diesen Krieg an eben diesem Ort überlebt haben, von ihren Erlebnissen erzählen. Noch überzeugt das Museum von der Intention des "Nie mehr wieder". Noch hat der Besuch etwas Persönliches, ist der Weg dorthin eine Art Pilgerfahrt, die man behutsam antritt, um der Voyeurismus-Falle zu entgehen. Problematisch wird es aber, wenn, wie es geplant ist, das Museum von öffentlicher Seite übernommen wird. Dann wird nämlich ein sehr, sehr guter Kurator gebraucht, damit dieser Ort seine Unschuld behält. Tunnel-Museum, Bajro und Edis Kolar, Tuneli 1, 71210 Ilidza - Donji Kotorac, Sarajevo, Bosnien-Herzegowina
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Das Tunnel-Museum, Sarajevo
01.08.2003 - 04.08.2004

Tunnel-Museum
71210 Ilidza - Donji Kotorac, Sarajevo, Tuneli 1


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